Deutscher StarTrek-Index  

Grusel-Standard

von Andrej Schwabe, 05.02.2002

Willkommen zur ersten Kritik im neuen Jahr! OK, vielleicht nicht die erste veröffentlichte, aber die erste von mir verfasste in diesem Jahr. Passend zum Jahresanfang haben wir auch das Layout der DSi Bücherecke geändert und hoffen, dass es euch eine bessere Übersicht über die Reviews bietet.
"Die Geisterstation", Melissa Crandalls einziger Roman im Trek-Universum, wurde mir von meinem kleinen Bruder als "wahnsinnig spannend" angepriesen - wollen wir mal schauen, ob dieses Versprechen eingehalten werden kann

Handlung:
Die Enterprise stößt in der Neutralen Zone auf eine riesige, geheimnisvolle Raumstation der Romulaner, die offenbar unbewohnt ist. Ein Außenteam findet lauter tote Romulaner - doch dann bricht der Kontakt zum Schiff ab.

Kritik:
Passend zum deutschen Titel des Romans beginnt die Geschichte mit Scotty, der "als geborener Geschichtenerzähler" (wir erinnern uns, dass er auch die Star Trek VI auf CD nacherzählt hat) von einem Gespensterschiff berichtet, dass vor Jahrhunderten die irdischen Gewässern bereiste. Dies ist der originelle Ausgangspunkt für eine mindestens genauso geisterhafte und mysteriöse Begebenheit, die sich nun im 23. Jahrhundert auf der romulanischen Raumstation zuträgt. Crandall gelingt es, stets die richtige Atmosphäre zu schaffen, die den Leser einfängt und nach einem anfänglichen Grusel schließlich tödlichen Horror spüren lässt. Stimmig wirkt dabei auch, dass die Rothemden wie in den guten alten Tagen als erste sterben.
Star Trek hat schon immer von kniffligen Rätseln gelebt, die innerhalb einer dreiviertel Stunde aufgelöst werden. Und so wirkt auch die romulanische Raumstation wie ein großes Rätsel, dass erst schrittweise gelöst wird und bis zur Auflösung immer noch zu fesseln vermag. Die Entflechtung dieses Rätseln garantiert auf jeden Fall Spannung und eine solide erzählte Geschichte, die streng auf das Finden der Lösung ausgerichtet ist und nur manchmal innehält, um einige Charaktere näher zu beleuchten.

Und da sind wir auch schon bei meinen Kritikpunkten, die es auch zu diesem Buch in reichlicher Anzahl gibt.
Die Charakterisierungen sind weder besonders interessant noch packend, was sowohl für die Stammcrew als auch für die Rothemden gilt. Angesichts der Struktur der Geschichte, die ja eigentlich eine Action-Story ist, finde ich das jedoch verzeihlich. Wir erwarten ja auch nicht tiefgehende Charaktermomente in TNGs "In der Hand von Terroristen" ("Starship Mine").
Dann stören mich da noch die vielen Anachronismen, die vor allem McCoy von sich lässt: Er schaut Fernsehen und ist in den USA aufgewachsen. Vielleicht ist das aber auch Absicht, um zu beweisen, dass McCoy auch wirklich rückschrittlich ist. Gleichsam komisch wirkt für mich die Aussage, dass Rand plötzlich eine fähige Transporterchefin ist, nachdem sie in Star Trek I zwei Offiziere zu Fleischbrei gebeamt hat, darunter auch den neuen Wissenschaftsoffizier.
Ferner verlässt Crandall leider nicht die konventionellen Bahnen von solchen Action-Storys. Klar, die Geschichte ist schon packend und spannend erzählt, doch im Nachhinein betrachtet, stellt sich für mich heraus, dass die Geschichte nichts außerdem stereotypen Muster zu bieten hatte. Dabei spielen auch einige Ungereimtheiten eine Rolle, die die Autorin auf Teufel komm raus zulässt, um die Story passend zu machen. So ist für mich unverständlich, warum Kirk die Station einfach zerstören möchte, als es Probleme gibt. Schließlich lagern dort nicht unwichtige romulanische Informationen, ganz abgesehen von der Möglichkeit, romulanische Technik live zu studieren. Und, ohne jetzt viel verraten zu wollen, wird nicht deutlich, warum auch die Enterprise von den Energieausfällen betroffen ist, da sie ja doch ein wenig entfernt von Station ist.

Unterm Strich kann man getrost feststellen, dass dies trotz einiger Mängel ein guter Roman geworden ist, der angesichts der geringen Qualität später TOS-Romane immerhin noch überdurchschnittlich ist.

(gandalf)

Infos:
STAR TREK - Classic, Band 70
Titel: Die Geisterstation (Shell Game)
Autor: Melissa Crandall
Erscheinungsjahr: Deutschland: 1997, USA: 1993
Deutsche Übersetzung von Ronald M. Hahn
Preis: 12,90 DM
Wilhelm Heyne Verlag, München

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