Deutscher StarTrek-Index  
  6.14 Das Gesicht des Feindes  
  Face of the Enemy  
 

von Yann-Patrick Schlame

 
 
 

Episodenbeschreibung

Sternzeit: 46519,1
Deanna erwacht in einer ungewohnten Umgebung, und mit einem ungewohnten Gesicht: Sie hat das Aussehen einer Romulanerin! Bald darauf wird sie von Subcommander N'vek begrüßt, der ihr eröffnet, dass sie sich auf dem romulanischen Warbird Khazara befindet und vor Kurzem von einem Seminar über Neuropsychologie auf Borka VI entführt wurde. Sie hat nun die Identität von Major Rakal vom romulanischen Geheimdienst Tal Shiar. Es ist von außerordentlicher Wichtigkeit, dass sie diese Rolle glaubwürdig spielt, denn es gibt eine wichtige Mission durchzuführen. Doch zunächst soll Deanna nur dafür sorgen, dass Cmdr. Toreth, Captain des Schiffes, Kurs nimmt auf den Kaleb-Sektor und keine Fragen über die Fracht stellt, die gerade an Bord genommen wurde.
Es gelingt Deanna, diese Befehle durchzusetzen; zwar ist Toreth keine Freundin des Tal Shiar, aber es bleibt ihr nichts anderes, als "Major Rakals" Autorität anzuerkennen.

Indes erhält auch die Enterprise Besuch: Fähnrich Stefan DeSeve, der vor knapp 20 Jahren zu den Romulanern überlief, kehrt zur Sternenflotte zurück, um Picard eine Nachricht von Botschafter Spock zu überbringen. Er meint, die Enterprise muss in den Kaleb-Sektor fliegen und dort einen corvallianischen Transporter bis zum Gebiet der Föderation eskortieren, da das Schiff eine immens wichtige Fracht enthalten soll. Zögernd gibt Picard den Befehl, Kurs zu setzen.

Deanna erfährt indes von N'vek, was los ist: Vize-Prokonsul M'Ret, ein wichtiges Mitglied der romulanischen Regierung, und zwei Begleiter haben sich, nachdem sie in Ungnade gefallen sind, zum Überlaufen entschlossen und sich Spocks Kontakten bedient. Auch N'vek gehört zu Spocks Widerstandsgruppe, daher ist er bei dieser Mission dabei. Er erklärt des Weiteren, dass die echte Major Rakal getötet wurde, damit Deanna ihren Platz einnehmen kann; nur ein Mitglied des Tal Shiar kann die Befehle eines Raumschiffes ohne Weiteres abändern. Deanna wurde ausgewählt, damit im Notfall ein Sternenflottenoffizier bei der Mission dabei ist.
Die "Fracht", also der Prokonsul und seine Begleiter, die in Frachtbehältern in Stasis gehalten werden, soll einem corvallianischen Frachter übergeben werden, der sie dann zum Gebiet der Föderation bringen soll.
Doch als man beim Frachter ankommt und mit dem Captain Kontakt aufnimmt, spürt Deanna, dass der Captain seine eigene Suppe kochen möchte und den Auftrag nicht ausführen wird. N'vek handelt kurzentschlossen, indem er das Feuer eröffnet und den Frachter zerstört, und behauptet, er hätte auf Rakals Befehl gehandelt. Deanna muss mitspielen und tut so, als hätte sie den Feuerbefehl gegeben. Zwar ist Cmdr. Toreth verärgert, akzeptiert aber nach wie vor Rakals Autorität. Deanna befiehlt, zu warten.

Auch die Enterprise ist mittlerweile im Sektor angekommen, findet jedoch keine Spur vom Frachter. Allerdings entdeckt man bald Trümmer...

Als man an Bord der Khazara die Enterprise ortet, will Toreth zunächst getarnt verschwinden, doch Deanna sucht nach einem Weg, die Enterprise zu kontaktieren. N'vek, dem nach der Zerstörung des Frachters die Ideen ausgehen, ist damit nicht einverstanden, doch Deanna weist ihn zurecht und droht ihm, so dass er auf ihren Vorschlag eingeht und den Antrieb so manipuliert, dass die Enterprise den Warbird auch in getarntem Zustand entdecken wird.

Das tut Data dann auch ziemlich schnell, denn er findet eine Verzerrung in der Nähe der Trümmer des Frachters. Bald kommt man dahinter, dass die Verzerrung von einem getarnten romulanischen Schiff verursacht wird. Picard lässt die Romulaner verfolgen.

Toreth bemerkt das recht schnell und will die Enterprise zerstören. Deanna muss das natürlich verhindern, doch sie hat schon einen Plan: Sie enthebt Toreth des Kommandos und meint, beim Tal Shiar würde man intelligenter vorgehen, als einfach drauflos zu schießen. Sie lässt die Tarnung fallen und ruft die Enterprise. Picard erkennt Deanna und geht auf ihr Spiel ein: Sie sagt, sie möchte an Bord kommen, um die Situation zu klären. Also lässt Picard die Schilde senken, während Deanna den Feuerbefehl gibt. An der Waffenkonsole befindet sich glücklicherweise N'vek, der einen Schuss mit minimaler Intensität abgibt, doch beamt er gleichzeitig den Prokonsul und dessen Begleiter auf die Enterprise.

Toreth durchschaut den Schwindel, lässt N'vek erschießen und bedroht Deanna. Sie freut sich schon darauf, Deannas Verrat bestrafen zu dürfen, doch zunächst lässt sie die Schilde senken und die Tarnung aktivieren.

Darauf hat Worf nur gewartet: Er beamt Deanna an Bord der Enterprise, und man macht sich schleunigst aus dem Staub. Nachdem Deanna von Dr. Crusher wieder in ihren normalen Zustand zurückversetzt wurde, ist sie sehr froh, endlich wieder an Bord zu sein, und die Mission war ein voller Erfolg, obwohl allein an diesem Tag 19 Personen getötet wurden: 18 an Bord des Frachters, den N'vek zerstörte, und N'vek selbst.

Bewertung

"Konfusion" lautet das Schlagwort dieser Episode. Deanna ist verwirrt, Picard weiß nicht, was vorgeht, und der Zuschauer erhält auch nur langsam Einblick. Dass es trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen gelungen ist, eine hervorragende Episode daraus zu machen, liegt zum einen an der perfide eingefädelten Handlung und zum anderen an den Darstellern, allen voran Marina Sirtis (Deanna/Rakal).

Man kann sich ungefähr 8 Crewmitglieder der Enterprise vorstellen (also alle anderen Hauptdarsteller der Serie), die besser für diese Aufgabe geeignet wären, sollte man jedenfalls meinen. Deanna Troi, die Friedfertige - Deanna Troi, die Beraterin - Deanna Troi, die Betazoide. Und nun: Deanna Troi, Top Spion. Und diese Rolle meistert sie mit derartiger Bravour, dass man vielleicht das erste Mal in der Serie nachvollziehen kann, dass sich Marina Sirtis ursprünglich für die Rolle der Sicherheitschefin Tasha Yar beworben hatte. Der kurze Aufenthalt in der Höhle des Löwen macht Deanna zu einem Mitglied des Tal Shiar par Excéllence, nach anfänglichen Schwierigkeiten findet sie schnell den Tonfall, der jedem Romulaner in Hörweite das Blut in den Adern gefrieren lässt, denn sie lässt keinen Zweifel daran: Ich bin der Tal Shiar, zumindest hier und jetzt! Wie schnell sich Deanna mit dem Tonfall anfreundet sieht man dann auch, als sie N'vek runtermacht und ihm droht, ihn als Spion zu diskreditieren, wenn er nicht den Antrieb der Khazara manipuliert, damit man die Enterprise kontaktieren kann. Auch Deannas Selbstbewusstsein macht einen enormen Sprung, sie lässt sich von den andauernden Nörgeleien Toreths nichts anhaben und hat immer eine passende Erklärung parat, die genauso auch aus dem Munde eines echten Tal Shiar-Offiziers hätte kommen können.
Sirtis scheint die Rolle richtig zu genießen, die nach 139 Episoden mit Deanna Troi deren genaues Gegenteil darstellt und sie von ihrer gemeinen Seite zeigt. Es ist bedauerlich, dass man ähnliche Auftritte in Zukunft vermissen muss.

Handlungsseitig ist die Episode, wie erwähnt, zunächst von Konfusion gekennzeichnet, da man mit der erwachenden Deanna zusammen das Geschehen betritt und Schritt für Schritt herausfinden muss, was los ist. Während solche einleitende Konfusion anderen Episoden schadet, ist es hier umso besser, da man zunächst nur soviel weiß, wie Deanna.
Die Handlung bleibt bis zum Schluss spannend und hinterlässt einige lose Enden, an die angeknüpft werden könnte, was im Rahmen von TNG leider nicht mehr stattfindet. Wir hören von Spock, der in "Wiedervereinigung?" erklärte, dass er auf Romulus bleibt, um die Untergrundbewegung weiter zu unterstützen. Die Flucht des Vize-Prokonsuls ist wohl Spocks größter Coup, und die Tatsache, dass Spock mehrfach genannt wird, aber nicht selbst mitspielt, macht die Episode noch besser. Man erfährt, dass er nicht untätig herumsitzt, ohne dass die Handlung für Nimoy zugeschnitten werden muss; stattdessen gelingt es, Sirtis ihren ersten Alleingang zu bescheren, der, wie gesagt, sehr positiv auffällt.
Etwas dubios ist DeSeve: Er wird eingeführt, als müsste man ihn kennen, obwohl er nie zuvor erwähnt wurde. Eine etwas ausführlichere Erläuterung seines Hintergrundes wäre hilfreich gewesen. So kann man den spärlichen Informationen nur entnehmen, dass er offensichtlich vor 20 Jahren zu den Romulanern überlief und sich nun in Spocks Auftrag entschlossen hat, zurückzukehren. Dass er als Fähnrich bezeichnet wird, passt ins Bild, da er alt genug aussieht, um 20 Jahre zuvor noch am Anfang seiner Karriere gestanden zu haben. Es scheint, als hätte er damals unter Picard gedient, da er den Captain zunächst als "Commander" Picard anspricht, was von jenem dann richtiggestellt wird.
Eine alternative Erklärung könnte aber auch folgende sein: Das romulanische Äquivalent zum Sternenflotten-Captain ist der Commander; möglicherweise hat DeSeve also lediglich die Terminologie der Romulaner gebraucht, die ihm ja in den letzten 20 Jahren in Fleisch und Blut übergegangen sein dürfte (vielen Dank an unseren Leser Martin Mörtelmayr für diesen Hinweis).

Wunderschön ist Picards Miene beim Anblick der romulanischen Deanna, als sie zu ihm Kontakt aufnimmt. Man sieht förmlich, wie bei ihm Erinnerungen an die Oberfläche kommen, die sich auf Commander Sela beziehen: In "Der Kampf um das klingonische Reich (2)" wurde Picard von einem Warbird gerufen und sah sich einer beinahe exakten Kopie der längst verstorbenen Tasha Yar gegenüber, allerdings trug jene spitze Ohren. Über ein Jahr später passiert ihm fast das Gleiche noch einmal, bloß dass es diesmal Deanna Troi mit spitzen Ohren ist, die eigentlich ein Seminar besuchen sollte. Aber Deanna reagiert schnell genug, dass Picard klar wird: Sie ist Troi, und er darf nicht zu erkennen geben, dass er sie als diese erkennt. Es erfreut, dieses geschickte Verwirrspiel anzuschauen und die Bemühungen der Charaktere zu beobachten, die Situation zu verstehen und zu klären.

Der größte Teil der Spannung wird aber eher unterschwellig erzeugt: Deanna befindet sich inmitten eines feindlichen Schiffes. Jeder Versprecher, schon eine falsche Geste, ganz zu schweigen von falschen Verhaltensmustern, könnten sie enttarnen und ihrem Leben ein jähes Ende setzen. Schon als Riker in "Der Austauschoffizier" an Bord eines klingonischen Birds of Prey war, war dieses Gefühl zu spüren, obwohl Riker sich seiner Haut besser zu wehren weiß als Deanna und sich auf den Aufenthalt intensiv vorbereitet hatte. Doch Deanna wird mitten in die Situation hineingestoßen, ohne Wahl und ohne Ausweg. Hier zeigt sich, welche verborgenen Kräfte in ihr lauern und darauf warten, in genau so einer Situation auszubrechen und die Kontrolle zu übernehmen.

Schließlich erhält man auch noch einen tiefen Einblick in das gespaltene Verhältnis zwischen romulanischem Militär und dem gefürchteten Geheimdienst Tal Shiar und erfährt, dass das Militär genauso viel Respekt vor der Sternenflotte hat, wie die Sternenflotte vor den Romulanern. Die romulanische Struktur erinnert an eine Mischung aus Nazi-Deutschland und Sowjetunion, wo jeder jeden verraten kann und dies staatlich gefördert wird. Toreth berichtet von ihrem Vater, der eines Tages abgeholt wurde, weil er angeblich ein Verräter sei. Sie hat ihn nie wieder gesehen. So erklärt sich ihr Hass auf den Tal Shiar und auch die Loyalität gegenüber dem Militär, das solche Methoden angeblich nicht anwendet.

Größter Wermustropfen ist die Frage der Kommunikation: Es ist nicht bekannt, dass Deanna sonderliche Sprachfertigkeiten in Romulanisch aufweist. Zwangsläufig muss man also folgern, dass die Universalübersetzer mittlerweile simultan und ohne jegliche Verzögerung oder sinnmäßige Verzerrung arbeiten, und dazu noch synchron zu den Lippenbewegungen - selbst für Trek ist das zu viel des Guten, da es schlichtweg unmöglich scheint.

Ein Minus verdient die Episode außerdem, weil die Handlung um Spock, den gerade übergelaufenen M'Ret und grundsätzlich das Verhältnis zwischen Romulanern und Vulkaniern in TNG nicht mehr ernsthaft aufgegriffen wird und hier unzählige lose Enden bleiben.

Trotz dessen: Die Episode begeistert in fast jeder Hinsicht, einzig die Effekte sind "nur" gut.

 
 
 

Spannung

SFX

Handlung

Gesamt

 
 
 

Zusammenhänge

  • Botschafter Spock wird erwähnt. Spocks Motive, weiterhin auf Romulus zu bleiben und sich für die Völkerverständigung insbesondere zwischen den Romulanern und den Vulkaniern einzusetzen, wurden in "Wiedervereinigung?" erläutert. Aus jener Episode stammt auch der Begriff "Cowboy-Diplomatie", mit dem DeSeve Picard zu erkennen gibt, dass er von Spock persönlich beauftragt wurde.
  • Scott MacDonald (Subcommander N'vek) hat in der dritten Enterprise-Staffel mehrere Auftritte als Xindi-Commander Dolim, erstmals beim Staffelauftakt "Die Xindi".
 
 
 
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  Druckbare Version

 Erstausstrahlung USA:
  6. 2. 1993

 Erstausstrahlung D:
  6. 6. 1994

 Regie:
  Gabrielle Beaumont

 Buch:
  Naren Shankar
  René Echevarria

 Gaststars:
  Dennis Cockrum
  Robertson Dean
  Scott MacDonald
  Barry Lynch
  Carolyn Seymour
  Pamela Winslow



  Zuletzt geändert:
  2015-01-14, 03:44
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