Deutscher StarTrek-Index  

Star Trek meets Traumschiff

von Andrej Schwabe, 09.09.2001

Della van Hises einziger Star Trek-Roman.

Handlung:
Die Besatzung der Enterprise leidet Nacht für Nacht unter Alpträumen, in denen Spock Captain des vulkanischen Schiffs ShiKahr ist und Kirk rebellischer Fähnrich mit zweifelhafter Vergangenheit. Plötzlich werden die Träume zur Realität.

Kritik:
Ich will diese Kritik mit einem Zitat von Jan Schliecker zu diesem Roman beginnen: "Als jemand Gene Roddenberry von dem Buch berichtete, fühlte er sich an den Zweig der Fanliteratur erinnert, die Kirk und Spock als schwul darstellt und ordnete für die weiteren Auflagen Änderungen an. [...] Vor allem eine längere Passage im zweiten Kapitel wurde 'entschärft'. Der deutschen Ausgabe lag dann allerdings die Erstauflage zugrunde." Und es stimmt - den Roman kann man an überaus vielen Stellen so lesen, als ob Kirk und Spock wie im "Traumschiff" aus der "Bully-Parade" mehr miteinander pflegen als nur eine gute Freundschaft.
Die Vermutung liegt aber auch nahe, dass das Verhalten der beiden einfach darin begründet liegt, dass van Hise eine weibliche Perspektive auf das Geschehen hat, die weit emotioneller ist als bei anderen Romanen. So nimmt sie sich diesmal auch intensiv Spock vor, beleuchtet seine Gefühle und lässt ihn ein Pon Farr durchleben (was wir leider in 35 Jahren Star Trek schon zu oft erleben durften). Hier kann, muss der Leser aber keine Abstriche machen; je nachdem, ob er/sie es für interessant hält, Spock mit einer Romulanerin herumbändeln zu sehen oder halt nicht.
Ebenfalls besonders frauenfreundlich und gelungen präsentiert sich Thea, eine einflussreiche Romulanerin (ohne jetzt zu viel zu verraten), weil sie sehr unabhängig, hinterlistig, aber auch gefühlvoll herüberkommt.

Eine wirkliche Stärke des Buches ist der Kern der Geschichte, der sich um das Freundschaftsband (wie tief auch immer) zwischen Kirk und Spock dreht. Die eigentliche Haupthandlung ist ein typisches Parallelwelt-Szenario, wobei es gilt, die ursprüngliche Realität wiederherzustellen. Dies alles ist sehr gut beschrieben, die Atmosphäre der fremden Wirklichkeit ist fast greifbar und sehr passend. Alle Figuren verhalten sich halbwegs normal (s.o.), vor allem McCoy kann durch gekonnten Sarkasmus viele Pluspunkte sammeln.
Ein Wiedersehen gibt es mit dem eben erwähnten Charakter der Thea, sie war schon in "The Enterprise Incident" in der dritten Classic-Staffel als Raumschiffkommandantin zu sehen (da aber auch weit schwächer gespielt als hier beschrieben). Und wir begegnen ein weiteres Mal dem früheren Enterprise-Captain Pike (aus "The Cage" und "The Menagerie").

Der Einsatz von Zeitreisen zur Erzeugung einer alternativen Realität ist durchaus legitim und schon in vielen Trek-Episoden geschehen, nur widerspricht sich van Hises Logik mit der aller anderen Trek-Episoden, nämlich, dass es so etwas wie ein Schicksal gibt, das nur ein Universum akzeptiert. Das ist völlig gegensätzlich zu "Mirror, Mirror" aus der zweiten Classic-Staffel, wo wir ein Paralleluniversum präsentiert bekommen, das auch nach der Folge noch existiert (siehe diverse DS9-Episoden). Außerdem habe ich mir die ganze Zeit die Frage gestellt, was das molekulare Gedächtnis eines Universums ist - so eine Supergehirn, das irgendwo zwischen Andromedanebel und Galaxie M31 rumsteht, oder wie?

Fassen wir mal zusammen: Ein Roman mit sehr dichter Atmosphäre, bei dem die Logik bisweilen zu wünschen übrig lässt und das Tempo dem Gefühl geopfert wird - aber unter dem Strich ein Buch, für das man seiner Bibliothek des Vertrauens reuelos mal ein Abstecher gönnen kann.

(gandalf)

Infos:
STAR TREK - Classic, Band 25
Titel: Zeit zu töten (Killing Time)
Autor: Della van Hises
Erscheinungsjahr: Deutschland: 1990, USA: 1985
Deutsche Übersetzung: Andreas Brandhorst
Preis: 9,80 DM
Wilhelm Heyne Verlag, München
Features
 
 
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