Halbe Vulkanier
von Andrej Schwabe, 17.11.2000
Und
wieder habe ich mal in der Bücherkiste ganz unten gekramt...
„Bewusstseinsschatten“
ist der erste echte Roman von Jeanne M. Dillard, deren Bücher sich bei
den Fans großer Beliebtheit erfreuen, nach der Nacherzählung zu Star
Trek V.
Handlung:
Der paradiesische Planet Aritani wird von Piraten attackiert. Als Spock
auf der Oberfläche Untersuchungen anstellt, wird er angegriffen und so
lebensgefährlich verletzt, dass auch seine mentalen Fähigkeiten und
Erinnerungen blockiert werden. Während der Vulkanier nun auf der Suche
nach seiner Identität ist, muss die Enterprise für die Sicherheit der
Aritanier sorgen.
Kritik:
Der Buchtitel deutet ja schon an, was
der Klappentext später nur noch bestätigen kann: Spock verliert seine
Erinnerungen, wird immer mehr zum mentalen Wrack. Dabei liefert J.M.
Dillard durchaus eine gute Arbeit ab, die Spock-Passagen sind glaubwürdig
und gefühlvoll erzählt. Spannend sind die Stellen, in denen der
Vulkanier in seiner mentalen Schieflage auf seine Mutter trifft. Dafür
dass der Storystrang jedoch titelgebend ist, bleibt einiges zu
oberflächlich.
Leider ähnlich
enttäuschend ist der Rest, in dem die tapfere Crew gegen Piraten und
schließlich auch Saboteure zu kämpfen hat. Auf der einen Seite leidet
die Geschichte einfach an ihrer übergroßen Vorhersehbarkeit, auf der
anderen unter seiner schon beleidigenden Unglaubwürdigkeit: Scotty soll
Saboteur sein, Chevok scheint zu schlafen anstatt zu feuern und die
Romulaner sind so dumm wie eh und je. Aus wahrscheinlich rein egoistischen
Gründen billigt Kirk eine Alkoholanlage im Maschinenraum, aus dem sich
die Führungsoffiziere bedienen dürfen, während alle anderen gute Mine
zum bösen Spiel machen. Das ist schon nicht mehr lustig, sondern einfach
nur dämlich.
Auch wenn die
Stammcharaktere vielleicht nicht immer genau getroffen sind, verhalten sie
sich doch im Großen und Ganzen, wie man es aus der Serie auch kennt. Bei
der Figur der Emma Maria Saenz sind die Parallelen zu Dillards
(großartigem) Folgeroman „Dämonen“ unverkennbar: Sie ist eine
Powerfrau, wie man heute vielleicht dazu sagen würde, gekonnt und immer
mit einem Lächeln auf dem Gesicht trickst sie die Crew aus und bringt
nebenbei bekannte Rollenmodelle durcheinander. So ist Kirk diesmal nicht
für die romantischen Seiten verantwortlich, sondern Dienstsarkastiker
McCoy. Dillard legt sie von Anfang an so an, dass der Leser ihr zwar
sofort vertraut, lässt aber keine Gelegenheit aus, das Vertrauen ins
Wanken zu bringen. Im Vergleich zu „Dämonen“ ist die Figur aber
unausgereifter, glatter und noch nicht so sympathisch wie Anitra Lanter,
einer der, wie ich finde, gelungensten Charaktere in der Star
Trek-Buchreihe.
Kurzum: Für langweilige Urlaubswochen mit
Sicherheit eine Bereicherung, aber wer wirklich gute Romane sucht, sollte
die Hände davon lassen.
(gandalf)
Infos:
STAR TREK - Classic, Band 28
Titel: Bewusstseinsschatten (Mindshadow)
Autor: J.M. Dillard
Erscheinungsjahr: Deutschland: 1991, USA:
1986
Deutsche Übersetzung von Andreas Brandhorst
Preis: 9,80DM
Wilhelm Heyne Verlag, München