Die Rettung, die niemals stattfand
von Andrej Schwabe, 24.03.2019
Inhalt:
Auf Sirsa III haben sich menschliche Kolonisten niedergelassen. Bei
Tiefsee-Bohrungen wird ein riesiges, uraltes Raumschiff freigelegt,
das sofort beginnt, die menschlichen Siedlungen anzugreifen. Die
USS Shenzhou unter Captain Georgiou eilt zu Hilfe und wenig später
auch die USS Enterprise unter Captain Pike. Während Pike den
Auftrag bekommen hat, die Kolonie samt dem fremden Schiff in Schutt
und Asche zu legen, versucht Georgiou der Sache auf den Grund zu
gehen. Dafür arbeitet Michael Burnham mit ihrem Bruder Spock
zusammen und die beiden müssen dafür ihren langjährigen Konflikt
überwinden.
Kritik:
Star Trek Discovery wurde mit großer Spannung erwartet und hat dann
2017 einen ziemlich rasanten und überzeugenden Start hingelegt. Die
Serie ist - im Gegensatz zu den aktuellen Star Trek-Filmen - nicht
nur ein "technisches Update" mit atemberaubenden Effekten,
beeindruckender Inszenierung und toller Musik. Auch auf Charakter-
und Story-Ebene ist der mutige Gestaltungswille der Macher deutlich
zu spüren. Die hervorragenden Schauspieler - allen voran Sonequa
Martin-Green als Hauptfigur Michael Burnham - unterstreichen ebenso
das große Potenzial der Serie, die damit locker auf dem Weg zu
einer der besten Star Trek-Serien ist.
"Gegen die Zeit" spielt rund ein Jahr vor den Ereignissen in den
Pilotfolgen. Der Roman ist zu Beginn der ersten Staffel erschienen und
teilt damit das Schicksal vieler früh erschienener Star Trek-Romane,
weil z.B. spätere Charakterentwicklungen noch nicht abzusehen sind.
Wie in den TV-Folgen steht Michael Burnham im Vordergrund. Autor
Mack inszeniert zwei auch für die TV-Folgen wichtigen Konflikte:
den zwischen Spock und Michael und die Rivalität zwischen Saru und
Michael.
Während die zweite Staffel die Beziehung zwischen Spock und Michael
ebenfalls als schwierig darstellt, arbeiten der Roman und die
TV-Folgen unterschiedliche Ursachen heraus. Im Roman geht es um
Anerkennung durch Sarek, die beiden Charakteren fehlte, was beide
im Verlauf der Handlung erkennen müssen.
Die TV-Folgen offenbaren hingegen, dass sich Spock und Michael
"seit Jahren" nicht mehr gesehen haben (also auch nicht zusammen
Sirsa III gerettet haben). Außerdem gibt es einen tiefliegenden
Konflikt anderer Natur zwischen beiden. Michael wollte sich von
Spock distanzieren, um ihn zu schützen, obwohl Spock sie als
Schwester sehr geliebt zu haben scheint. Überhaupt wird Spocks
Charakter von den Discovery-Autoren neu interpretiert und erhält
dabei viel mehr menschliche Züge. Beides macht die Beziehung zu
Michael facettenreicher als in "Gegen die Zeit". Spock scheint mit
seiner menschlichen Seite (noch) zu hadern, was den Konflikt
zusätzlich verstärkt.
Obwohl Mack wenig von den kommenden Entwicklungen der zweiten
Discovery-Staffel vorhersehen konnte, bleibt der Konflikt mit Spock
hier zu konturlos und auch der Ausgang bleibt für zwei so wichtige
Charaktere unbefriedigend einfach.
Der "Wettkampf" zwischen Saru und Burnham wirkt in dem Roman
übertrieben, ebenso dessen ständigen plakativen Angsteskapaden. Man
sollte meinen, dass er sich inzwischen an das Leben in der
Föderation angepasst hat, so wie wir es in den TV-Folgen sehen.
Ein Großteil des Buches besteht aus der simpel gestrickten
Action-Story, die einem gewohnten Lauf folgt: Das fremde Raumschiff
muss besänftigt und dann kaltgestellt werden (eine klassische
Aufgabe für Kirk!). Pike wird hier als ungewohnt williger
Befehlsempfänger realitätsferner Admirals dargestellt, - auch im
Gegensatz zu den TV-Folgen - der lieber schnell die Waffen zückt,
als sich um die Analyse des Problems zu kümmern.
"Gegen die Zeit" ist gerade für David-Mack-Verhältnisse nur
schnöde, ausufernde Einheitsware.
Infos:
Star Trek: Discovery
Band 1
Titel: Gegen die Zeit (Desperate Hours)
Autor: David Mack
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2017, USA: 2017
Deutsche Übersetzung von Helga Parmiter
Preis: 15,00 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.