DSi

TNG 6.13 Aquiel


Aquiel

von Yann-Patrick Schlame

Episodenbeschreibung

Sternzeit: 46461,3
Da der Kontakt zur Kommunikationsrelaisstation 47 in der Nähe der klingonischen Grenze abgebrochen ist, führt die Enterprise eine Untersuchung durch. Schnell zeigt sich, dass von den beiden Besatzungsmitgliedern, dem erst seit einigen Tagen dort stationierten Keith Rocha und der Haliianerin Aquiel Uhnari, keine Spur zu finden ist, von Zellrückständen auf einer Bodenplatte abgesehen, die darauf hindeuten, dass Lt. Uhnari mit einem extrem starken Phaser erschossen wurde. Das Shuttle der Station ist verschwunden, und man vermutet, dass Rocha damit unterwegs ist. Einzig Uhnaris Hund ist noch auf der Station.
Die Logbücher der Station sind mit Sicherheitssperren versehen, und so schaut Geordi erst einmal Uhnaris persönliche Logbücher und Nachrichten durch, um herauszufinden was passiert ist. Doch die Logbücher ergeben bloß, dass Rocha sich offensichtlich seit seinem Eintreffen unangenehm verhalten hat, erklären jedoch nicht, was passiert ist.
Da Aquiel, wie Geordi sie inzwischen nennt, vom Klingonen Morag erzählt, der der Station regelmäßige Besuche abstattet, kontaktiert Picard den zuständigen klingonischen Gouverneur, einen Mann namens Torak, und bittet ihn um Hilfe bei der Aufklärung der Situation. Torak stimmt widerwillig zu und macht sich auf den Weg. Er sieht sich damit konfrontiert, dass auf der Station klingonische DNA-Spuren gefunden wurden, verbürgt sich aber für Morag. Er erklärt, dass die Klingonen hier niemanden getötet haben, denn er hat Lt. Uhnari bei sich; sie sei mit einem Shuttle im klingonischen Raum entdeckt worden, so dass man sie an Bord genommen hat.
Picard möchte von Aquiel wissen, was sich auf der Station zugetragen hat, doch sie kann sich bloß noch an einen Streit mit Rocha erinnern, weiß aber nicht, was anschließend passiert ist oder weshalb sie mit dem Shuttle in klingonischen Raum geflogen ist, ohne die Sternenflotte zu kontaktieren.

Geordi kümmert sich um Aquiel und geht mit ihr ins Zehn Vorne, wo er ihr erzählt, dass er ihre Tagebücher und ihre Nachrichten an ihre Schwester gesehen hat. Sie ist zunächst sauer, akzeptiert aber Geordis Erklärung, dass man dachte, sie sei tot und sich Hinweise erhoffte.
Die Dinge komplizieren sich, da Dr. Crusher nicht bestimmen kann, von wem die DNA-Rückstände auf der Bodenplatte stammen; sie meint aber, dass den Spuren zufolge mindestens 30 oder 40 Sekunden auf die getötete Person geschossen wurde, und zwar mit der höchsten Einstellung. Aquiel beteuert, dass sie Rocha nicht erschossen hat.

Bald darauf trifft auch Morag ein, der seinerseits zugibt, dass er auf der Station war, dort aber niemanden antraf, so dass er versuchte, einige geheime Sternenflottennachrichten zu stehlen. Jedoch beteuert auch er, niemanden getötet zu haben.
Geordi und Aquiel kehren noch einmal auf die Station zurück. Geordi findet heraus, dass Aquiel kürzlich einige Nachrichten Rochas gelöscht hat; sie gibt das zu und meint, Rocha hätte in einer Nachricht an die Sternenflotte sehr schlecht über sie gesprochen. Geordi glaubt ihr, dass sie Rocha nicht getötet hat und die Nachricht nur löschte, weil sie ihre Karriere bedroht sah. Er hat sich in Aquiel verliebt, und sie erwidert seine Gefühle. Aquiel möchte mit Geordi ein "K'Arna" genanntes Ritual durchführen, bei dem man die Bindung zu einer anderen Person auf telepathische Weise festigt. Geordi ist einverstanden.
Zur gleichen Zeit macht Dr. Crusher eine wichtige Entdeckung: Sie konnte inzwischen Teile der DNA isolieren und aktivieren. Plötzlich wird die Masse lebendig, berührt Crushers Hand und bildet eine exakte Kopie der Hand nach, bevor sie wieder leblos wird. Dr. Crusher vermutet, dass man es mit einer "sich vereinigenden" Lebensform zu tun hat, wie sie bisher nur auf mikroskopischem Niveau bekannt ist. Sie schlussfolgert, dass Rocha, der noch vor Kurzem im abgelegenen Triona-System Dienst tat, dort von einem solchen "sich Vereinigenden" getötet wurde, so dass die fremde Lebensform seine Gestalt annahm. Da ein "sich Vereinigender" häufig den Wirt wechseln muss, vermutlich in einem Zyklus von einigen Tagen oder evtl. Wochen, ist es sehr wahrscheinlich, dass er nun auf Aquiel oder den Klingonen Morag übergegangen ist, also werden beide isoliert und beobachtet; das passt Geordi gar nicht, da er und Aquiel sich gerade kurz vor dem Abschluss des Rituals befanden.

Während man wartet, was sich tun wird, ist Geordi noch einmal auf der Station, um die verschlüsselten Logbücher endlich zu entziffern, als er eine unangenehme Entdeckung macht: Aquiels Hund ist der "sich Vereinigende"! Der Hund verändert die Gestalt, geht auf Geordi los. Geordi kann sich einen Phaser schnappen und mit der höchsten Einstellung gelingt es ihm, den "sich Vereinigenden" aufzulösen.

Abschließend unterhält er sich mit Aquiel über ihre gemeinsame Zukunft, doch es sieht so aus, als wollte Aquiel lieber alleine durchs Leben gehen.




Bewertung

Beginnen wir am Anfang:
Geordi durchwühlt förmlich ohne Gewissensbisse Aquiels persönliche Aufzeichnungen, anstatt sich die prinzipiell wichtigeren Logbücher der Station vorzunehmen. Unter anderen Umständen könnte man das vielleicht nachvollziehen, aber es scheint, dass Geordi aus Dr. Brahms' Verärgerung nichts gelernt hat: Als er in "Die Energiefalle" eine Holosimulation von Leah Brahms erstellte, verliebte er sich in die Person. Als er sie dann in "Die Begegnung im Weltraum" in echt traf, musste er zum einen erkennen, dass die Simulation ein völlig falsches Bild von ihr gezeichnet hatte, zum anderen musste er ihr erklären, dass er sich in ihre Simulation verliebt hat, was ihm - mit Recht - sehr peinlich war.

Daher verwundert es, dass er in dieser Episode wie selbstverständlich die persönlichen Nachrichten anschaut, die Aquiel an ihre Schwester geschickt hat. Erneut verliebt er sich in eine fremde Person, ohne sie selbst getroffen zu haben. Man hat den Eindruck, er hätte die Geschehnisse um Leah Brahms vollkommen vergessen, als hätten sie gar nicht stattgefunden.
Eine kurze Erwähnung oder Anspielung wäre hier dringend nötig gewesen, um zu zeigen, dass Geordi aus der Vergangenheit gelernt hat.

Die Fortführung des Verhältnisses zwischen Geordi und Aquiel ist dagegen besser; Geordi berichtet ihr bei der ersten Gelegenheit, dass er ihre Aufzeichnungen gesehen hat, in diesem Punkt versucht er also, Klarheit zu schaffen, was er bei Dr. Brahms früher hätte machen sollen, aus dem Fehler hat er also gelernt.
Die beiden geben ein recht gutes Paar ab, und die Komplikationen, die sich durch die Handlung ergeben - z.B. Riker, der Geordi dringend rät, kein persönliches Verhältnis mit Aquiel einzugehen oder die anhaltende Frage, ob Aquiel nicht doch die Mörderin Rochas ist - machen es um so glaubwürdiger: Geordi vertraut ihr und versucht, sie zu beschützen, und sie ist ihm dankbar, da ihr alle anderen mit Misstrauen begegnen.
Unglaubwürdig ist leider das Ende der Geschichte: Aquiel war bereit, mit Geordi das K'Arna zu vollführen, was in ihrer Heimat offensichtlich einen hohen Stellenwert hat und starke Zuneigung ausdrückt. Doch nachdem die Situation aufgeklärt wurde, ist es ihr nicht mehr besonders ernst damit. Dies lässt sich bestenfalls so erklären, dass sie in der desolaten Lage, in der sie sich befand, jemanden brauchte, der ihr Zuneigung entgegen brachte und daher stärkere Gefühle für den einzigen, der ihr vertraute, entwickelte, als sie es unter normalen Umständen getan hätte. Es wirkt aber eher so, dass das Ritual aus Gründen der Dramaturgie durchgeführt wurde, da dem Zuschauer glauben gemacht wird, Aquiel wäre die "sich Verbindende", die nun Geordis Körper übernehmen will.

Damit sind wir auch gleich bei der Handlung:
Die Story ist sehr facettenreich aufgebaut und bringt immer wieder neue Beweise und Indizien hervor, so dass sich die Frage nach der Auflösung sehr spannend gestaltet, und in der erwähnten Szene mit dem K'Arna gipfelt. Dramaturgisch ist jene Szene sehr geschickt, und die Enthüllung, dass es Aquiel mit dem Ritual ernst war, da sie nicht die Mörderin ist, kommt überraschend. Der Fehler an der Sache ist das Verhältnis zu Geordi, das dadurch als sehr stark dargestellt wird, gleich darauf aber völlig abkühlt.

Die Einführung des "sich Verbindenen" ist eine gute Idee, da man dadurch die herrschende Verwirrung auflösen kann und in der Lage ist, alle losen Enden miteinander zu verknüpfen, was angesichts der vielen Hinweise keine leichte Aufgabe ist; in dieser Hinsicht ist die Episode sehr gelungen.

Von der Unglaubwürdigkeit in Aquiels Verhältnis zu Geordi abgesehen sind die Charaktere insgesamt ordentlich, die verärgerten, aber unschuldigen Klingonen würzen die Episode, und Picard sammelt Punkte, als er im ersten Gespräch mit Torak damit droht, Gowron, den Führer des klingonischen Hohen Rates, persönlich herzubitten, um die Situation aufzuklären, da sich Torak weigert, mit Picard zusammen zu arbeiten. Nach dieser als "Hinweis" verpackten Drohung ändert Torak seine Meinung sehr schnell und ist zur Kooperation bereit, was man ihm kaum verdenken kann.

Was aber sehr verwundert, ist das Verhalten der Crew gegenüber Aquiel: Als diese in geschundenem Zustand von den Klingonen auf die Enterprise gebracht wird, sprechen - mit Ausnahme von Geordi, der ja bereits ihre Aufzeichnungen gelesen hat - alle von der Brückencrew wüste Verdächtigungen sowohl gegen Aquiel als auch gegen die Klingonen aus. Am meisten erschüttert Deanna: Sie konfrontiert Aquiel mit den Verdacht, sie könnte Rocha ermordet haben, und Deannas Tonfall gibt zu erkennen, dass sie das nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich hält. Was ist mit ihren empatischen Fähigkeiten? Sie hätte spüren müssen, dass Aquiel verängstigt ist und sich tatsächlich nicht erinnern kann, was passiert ist; das ist so offensichtlich dargestellt, dass es selbst dem Zuschauer klar ist: Diese Frau ist keine Mörderin. Deannas Verhalten und ihr Tonfall erinnern stark an Bryce Shumar ("Ungebetene Gäste"; unter dem Einfluss eines fremden Wesens sah man Deanna von ihrer bösen Seite), nicht an den immer friedfertigen Counselor der letzten 138 Episoden.

Störend ist außerdem der "sich Verändernde". Zum einen klingt der Name ziemlich unhandlich. Im Original ist hier von einem "coalescent organism" die Rede, also in etwa "Zusammenwachsender Organismus". Klingt zwar auch unhandlich, aber nicht ganz so hölzern. Vielen Dank an unseren Leser Kinki für den Hinweis zum Originalnamen.
Abgesehen davon wirkt Dr. Crushers Erklärung über diese Lebensform konfus und ihre Schlussfolgerungen, obgleich zutreffend, scheinen aus der Luft gegriffen.

Zusammengefasst fällt es etwas schwer, ein passendes Urteil über diese Episode zu fällen, denn die Handlung ist insgesamt gut durchdacht und spannend gemacht, während die Charaktere insgesamt überzeugen, aber in einigen Belangen vollkommen unglaubwürdig erscheinen. Daher erhält die Episode insgesamt ein "Befriedigend".

Spannung: 4 SFX: 5 Handlung: 5 Gesamt: 4
Zusammenhänge
  • Die Ausgangssituation des Verhältnisses zwischen Geordi und Aquiel ähnelt der zwischen ihm und Dr. Leah Brahms in "Die Energiefalle" und "Die Begegnung im Weltraum".
  • Picard erwähnt, dass er der Überwacher des Nachfolgeritus Gowrons ist, des Kanzlers des klingonischen Hohen Rates. Damit bezieht er sich auf den Handlungsbogen, der in "Der Kampf um das klingonische Reich" gipfelte.
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Ausdruck vom: 20. 04. 2024
Stand des Reviews: 26. 11. 2020
URL: http://www.startrek-index.de/tv/tng6_13.htm