Die Menschheit in Angst und Schrecken
von Andrej Schwabe, 21.04.2015
Inhalt:
Die Koalition der Planeten, der Vorläufer der späteren Föderation,
befindet sich in einer kritischen Phase. Vor allem die Menschheit
gründet viele neue Kolonien, was bei den Romulanern aufmerksam und
mit viel Misstrauen verfolgt wird. Nachdem sie bisher nur auf die
Fernübernahme fremder Schiffe gesetzt haben, um Angst und Schrecken
zu verbreiten und damit die menschlichen Expansionsbestrebungen
einzudämmen, versuchen sie nun, aktiv anzugreifen und der
Menschheit empfindliche Schäden beizufügen. Eigentlich sollte in
dieser Lage die Koalitionsagenda greifen, aber gerade die eng
verbündeten Vulkanier halten sich aus dem Konflikt heraus, wohl
wissend um ihre genetische Verbindung zu den Romulanern.
Kritik:
Ein zentraler Baustein von "Unter den Schwingen des Raubvogels I"
ist die Illustration der politischen Verhältnisse und Konflikte
innerhalb der noch jungen Koalition. Neben den üblichen Problemen
der Machtverteilung zwischen der Erde, Vulkan, Andor, Tellar und
den sich dynamisch entwickelnden Menschenkolonien spielen gerade
die Vulkanier hier ein unrühmliches Spiel, als die romulanischen
Angriffe immer bedrohlicher werden und sie ein Eingreifen zugunsten
der Menschen ablehnen. Ihre Motive gründen sich vor allem auf die
Erkenntnis, dass sie gemeinsame Vorfahren mit den Romulanern
besitzen. Zwar ist nicht einleuchtend, warum dies unbedingt
geheimgehalten werden muss, aber letztendlich verdeutlicht diese
Tatsache, dass die vulkanische Gesellschaft im Laufe der Star
Trek-Jahrhunderte genauso dem Wandel unterworfen ist; ein Thema,
das schon öfter bei Enterprise im Vordergrund stand
("Stigma",
"Der Anschlag",
"Zeit des Erwachens",
"Kir'Shara"). T'Paus Analyse
der Zukunft der Menschheit ist gleichfalls interessant. In ihren
Augen nimmt die Menschheit eine potentiell dominante Rolle ein,
weil sie einfach neugieriger und flexibler ist als die spitzohrigen
Logiker. Damit nimmt sie auch den großen Anteil von menschlichen
Sternenflotten-Mitgliedern voraus, die wir in Star Trek sehen.
Was Martin ebenfalls gut gelingt, sind die eindringlichen
Schilderungen von den Erdkolonien auf dem Mars, der Jupiter-Station
und Alpha Centauri. Obwohl Manches etwas an skurriles Wildwest im
Weltall erinnert (wie die Mars-Indianer), ist die geschaffene
Atmosphäre beklemmend genug, um die Verletzlichkeit der
menschlichen Weltraumstützpunkte und die damit aufkommende Angst
vor den Romulanern nachvollziehen zu können.
Allerdings gibt es daneben auch deutliche Schatten, allen voran
durch den unsinnigen Spionage-Plot um Trip, der zunehmend zum
Lückenfüller wird, weil er trottelig von einem Fettnäpfchen ins
andere tritt und dabei nicht einmal neue Sachen aufdeckt. Ganz
abgesehen von den schematisch ausgestalteten Romulanern, die
entweder größenwahnsinnig sind (der Prätor), eigentlich für die
Vulkanier arbeiten (Sopek) oder Intrigen spinnen (Valdore).
Aber auch die wenigen emotionalen Charaktermomente, die der Roman
aufweist, wollen nicht richtig zünden. So kann sich Archer mit
seinem Misserfolg bei der Kobayashi Maru-Schlacht nicht abfinden -
viele andere in der Sternenflotte aus unerfindlichen Gründen aber
auch nicht. Die Situation wurde in "Kobayashi Maru" als eindeutig
ausweglos dargestellt, so dass die starken negativen Reaktionen auf
beiden Seiten nicht wirklich Sinn ergeben, insbesondere wenn man
sich vor Augen führt, in welch schwierigen Situationen Archers
Schiff bereits gewesen ist. Ein besonderes Negativbeispiel ist
dabei Steuermann Mayweather, der seinem Captain die Schuld am
Verlust des Frachters zuschiebt und angesichts seiner Herkunft aus
emotionaler Verbundenheit mit der Crew nicht verzeihen kann. Martin
macht es auch dadurch nicht erklärlicher, dass er die Figuren diese
Vorwürfe und Diskussionen oft wiederholen lässt. Letztlich drängt
sich der ungünstige Eindruck auf, dass hier einfach künstlich
Konflikte provoziert werden, um die Story aufzupeppen.
Alles in allem ein durchschnittlicher Roman mit einigen Höhen
jedoch gleichzeitig mindestens ebenso vielen Tiefen. Die Geschichte
ist solide geschrieben; es gibt andererseits viel zu wenig
Charakterentwicklung und es bleibt einem nichts als auf die
weiteren Entwicklungen des Romulanischen Krieges zu hoffen.
Infos:
Star Trek: Enterprise
Band 4
Titel: Der Romulanische Krieg - Unter den Schwingen des Raubvogels I (The Romulan War - Beneath the Raptor's Wing)
Autor: Michael A. Martin
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2014, USA: 2009
Deutsche Übersetzung von Bernd Perplies
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.