Erkenntnisse in Ruinen
von Andrej Schwabe, 12.10.2016
Inhalt:
Nachdem die neu errichtete Raumstation Deep Space Nine am Rande des
Bajoranischen Wurmlochs fertiggestellt worden ist, haben sich
Anführer der wichtigsten Großmächte der Galaxis angekündigt, um der
offiziellen Einweihung beizuwohnen. Und obwohl die Feier
verheißungsvoll beginnt und selbst lang gepflegte Feindschaften bei
einem guten Getränk neu überdacht werden, geschieht das Unfassbare.
Kritik:
Zwei Jahre sind in der Star Trek-Welt vergangen, seitdem die
Föderation mit dem neuen Bündnis aus Romulanern, Tzenkethi und
anderen zwielichtigen Mächten konfrontiert wurde
(Typhon Pact-Reihe). Inzwischen sind
einige unglaubliche Dinge rund um den Androiden Data geschehen
("Kalte Berechnung"-Trilogie), aber "The Fall" startet zunächst da,
wo "Typhon Pact" aufgehört hat: mit der Fertigstellung der neuen
Raumstation Deep Space Nine, die auch das Buchcover "schmückt".
Optisch mag sie nicht richtig überzeugen und wenn man "Erkenntnisse
aus Ruinen" glauben darf, orientiert sich ihr Aufbau in vielen
Aspekten am Design der alten Station. Beispielsweise wurden
anstelle der früheren Pylone durchgehende Ringe um den Kern der
Station gebaut. Der innere Teil mit seinem Promenadendeck wurde
zudem erweitert um einen Park, der verdächtig an Babylon 5 oder die
Station Vanguard erinnert.
Auch sonst bleibt bei David George vieles bei Bewährtem. Man
bekommt den Eindruck, dass er sein ganzes Pulver bereits in den
ersten seiner drei Typhon Pact-Romanen verschossen hat und dass nun
mit "Erkenntnisse aus Ruinen" ein neuer Tiefpunkt erreicht wird.
Die Handlung verläuft äußerst zähflüssig und denkbar uninspiriert.
Die Anführer der wichtigsten Großmächte der Galaxis schauen bei der
Einweihung von DS9 vorbei: Kanzler Martok, die romulanische
Imperatorin Kamemor, die cardassianische Kastellanin Garan, die
bajoranische Premierministerin Asarem, die Föderationspräsidentin
Nanietta Bacco und selbst der Große Nagus Rom und der
Gorn-Imperator Sozzerozs. Man liegt sich mehr oder weniger in den
Armen, überall herrscht eine freudselige Aufbruchstimmung und es
wird pflichtbewusst den Toten bei der Explosion der früheren DS9
gedacht. Damit schließt George an die Annäherung zwischen
Föderation und Romulanischem Sternenreich an, aber es gelingt ihm
nicht, daraus einen tragfähigen Plot zu entwickeln.
Hunderte Seiten kleinteiliger Erläuterungen und Darstellung von
Befindlichkeiten muss der Leser über sich ergehen lassen, bis
Baccos Ermordung am Ende doch noch unerwartet Spannung aufkommen
lässt.
Überraschend, aber wahr: Der zweite Handlungsstrang ist die noch
größere Enttäuschung. Er dreht sich um die Wurmlochwesen und ihre
Verbindung zu Sisko und zu der seit "Schatten"
im Wurmloch verschollenen Kira.
Der ehemalige DS9-Captain erfreut sich seiner wieder
zusammengeführten Familie. Die gute Nachricht, dass die
Wurmlochwesen ihn von den schweren Prüfungen erlösen, darf ihm
passenderweise Kira überbringen.
Da ist man als leidgeprüfter Leser eigentlich schon zufrieden, dass
der bizzare Sisko-Bestrafungs-Handlungsarm endlich ein Ende findet
(auch wenn seine Tochter übersinnliche Kräfte zu haben scheint).
Doch George kann letztlich nicht ganz von seinem Laster lassen und
schickt die Leser zusammen mit der bedauernswerten Kira Nerrys
durch eine quälend langweilige und unmotivierte Geschichte, die dem
Hirn irgendeines verrückten Wurmlochwesen entsprungen sein muss:
Sie befreit Sklaven in Bajors Vergangenheit - nachdem sie und wir
noch einmal Zeile für Zeile Siskos Wurmloch-Erlebnisse aus
"Der Abgesandte" miterlebt haben!
Überhaupt stellt "Erkenntnisse aus Ruinen" einen mehr als
schlechten Start in die "The Fall"-Reihe dar: Die dürftige Handlung
plätschert vor sich hin. Bei den Charakteren gibt es keine
Entwicklung. Im Gegenteil, es gibt sogar Rückentwicklungen: O'Brien
und Nog kehren zur Station zurück, um kommentarlos ihre alten
Positionen aufzunehmen. Sieht man es positiv, kann es eigentlich
nur besser werden.
Infos:
Star Trek: The Fall
Band 1
Titel: Erkenntnisse aus Ruinen (Revelation and Dust)
Autor: David R. George III
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2015, USA: 2013
Deutsche Übersetzung von René Ulmer
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.