Deutscher StarTrek-Index  

Der unaufhaltsame Fall

von Andrej Schwabe, 12.02.2017

Inhalt:
Die Titan wird zur Erde zurückgerufen, wo Riker von Admiral Leonard Akaar überraschend zum Admiral ernannt wird. Er erhält von ihm den geheimen Auftrag, die Wahrheit hinter den undurchsichtigen Machenschaften des Föderationspräsidenten Ishan Anjar aufzudecken, der inzwischen durch einige kontroverse Entscheidungen aufgefallen ist ("Der kaminrote Schatten", "Auf verlorenem Posten").
Währenddessen werden vier Sternenflottenoffiziere für das verdeckte Spezialteam "Active Four" rekrutiert, um die Attentäter der ehemaligen Föderationspräsidentin Bacco zu finden. Der Gruppe gehören Tom Riker, der den Dominion-Krieg offenbar unbeschadet überstanden hat, sowie Tuvok und Nog an. Doch schnell wird ihnen klar, dass nicht mit offenen Karten gespielt wird.

Kritik:
Der Giftbecher Die Rückkehr der Titan erfolgt unter bedrückenden Umständen - die Welt ist seit Baccos Tod, wie wir bereits aus den vorherigen "The Fall"-Teilen wissen, nicht einfacher geworden. Mit der skrupellosen Verfolgung und Festnahme Julian Bashirs, der den geplagten Andorianern das langersehnte Heilmittel brachte, scheint der Interimspräsident Ishan den Bogen nun überspannt zu haben. Admiral Akaar ist äußerst besorgt um das Schicksal der Föderation und versucht möglichst unauffällig durch die gefährlichen politischen Untiefen zu navigieren, die sich seit dem Amtsantritt Ishans aufgetan haben.
Überraschend (vor allem nach den konfliktreichen Ereignissen in "Gefallene Götter") - aber sicher nicht abwegig - ist Akaars Entscheidung, Riker zu befördern, um das Spielfeld zu seinen Gunsten aufzurollen. Dem frisch gebackenen Admiral bleibt nicht viel Zeit zum Einfinden in die neue Rolle, vor allem nachdem sich herausstellt, wie weit Ishans Machtmissbrauch geht: Berichte über die wirklichen Ereignisse auf Andor werden unterdrückt, und selbst Bashirs Aufenthaltsort wird wie in einem Schurkenstaat streng geheimgehalten.
Nachdem Riker beginnt seine neue Handlungsfreiheit auszunutzen, läuft der Roman zur Höchstform auf in Sachen Spannung und Action. Während die vielseitig talentierte Titan-Crew sich Ishans verschlagenen Hintermännern annimmt und Commander Vale auf ein anderes Schiff versetzt wird, um Bashir zu finden, versucht Deanna Troi dem Doktor eine Möglichkeit auf Asyl zu verschaffen - immer im Bewusstsein, dass jeder ihrer Schritte überwacht werden könnte.

Der zweite Handlungsstrang, in dem es um die Erlebnisse der "Active Four" geht, fällt im Gegensatz dazu regelrecht schwach aus.
Schon die Ausgangslage ist unglaubwürdig. Den "Active Four" wird suggeriert, dass Baccos Attentäter noch zu fassen sind, obwohl Picards Enterprise-Crew bereits in "Der kaminrote Schatten" herausfand, dass cardassianische Extremisten für den Tod der Präsidentin verantwortlich sind. Als Leser mag man das als einen weiteren Beweis ansehen, dass Ishan offenbar sehr effektiv in der Lage ist, Information für seine eigenen Zwecke vollständig zu unterdrücken.
Allerdings bleibt es nicht dabei: Dass sowohl Tuvok als auch Nog bedingungslos an einer Geheimoperation teilnehmen, die von Unbekannten gesteuert wird, ist einfach unverständlich. Beide brauchen auch ziemlich lange, bis ihnen klar wird, dass sie einer ungesetzlichen Truppe angehören: Mord, Folter, Urteile ohne Beweise. Dass gerade sie Teil der "Active Four" sind, liegt wohl dann auch eher an dem konstruierten Plot, nach dem sie sich schließlich aus der Falle befreien sollen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Trotz dieser auffälligen Schwächen gelingt Swallow mit "Giftbecher" aber gleichzeitig ein beängstigender Kommentar zur Gegenwart. Tötungskommandos wie die "Active Four" werden ebenso thematisiert wie die geheimen CIA-Gefängnisse, in denen Festgenommene ohne Wissen der Justiz festgehalten und entgegen der Gesetze gefoltert wurden. Selbst der Brexit findet Eingang in die Handlung in Form von Andors Austritts aus der Föderation.
Swallows Punkt ist dabei, dass der "Fall nach unten" schnell gehen und der Aufprall womöglich äußerst schmerzhaft sein kann, wenn zum richtigen Zeitpunkt der falsche Mann nach der Macht greift. Auch wenn es nur indirekt angesprochen wird, scheint sich Präsident Ishan nicht nur auf kritiklose Sternenflottenoffiziere zu stützen sondern kann auch auf die Unterstützung durch die Föderationsbürger zählen. Sie scheinen nach den vielen Kriegen der letzten Jahre, in denen Unzählige ihr Leben ließen und ganze Welten ausgelöscht wurden, mittlerweile müde und moralisch ausgezehrt zu sein. Dieses Vakuum füllt Ishan gekonnt beispielsweise mit seiner unbarmherzigen Haltung gegenüber dem Typhon-Pakt und ehemaligen Verbündeten wie Andor.
Seine Kompromisslosigkeit ist ein starker Kontrast zu der noch nicht lange zurückliegenden Zeit vor Baccos Ermordung. Seine Vorgängerin hatte sich brillant auf Verständigung und Kompromisse verstanden und immer wieder Wege gesucht, das Beste für alle Seiten, insbesondere auch für die Föderation, herauszuholen.

Mit viel Spannung und deutlichen Anleihen bei der Gegenwart leitet "Giftbecher" trotz vermeidbarer Schwächen den finalen Teil von "The Fall" gelungen ein.


Infos:
Star Trek: The Fall
Band 4
Titel: Der Giftbecher (The Poisoned Chalice)
Autor: James Swallow
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2015, USA: 2013
Deutsche Übersetzung von Christian Humberg
Preis: 12,99 €
Cross Cult Verlag

Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag

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