Ohne Furcht vor der Obersten Direktive
von Andrej Schwabe, 14.01.2020
Inhalt:
Nahe dem Raum der mysteriösen Tholianer trifft die USS Shenzhou
unter Georgious Kommando auf zwei schwer beschädigte Schiffe der
Pelianer. Eines explodiert kurz darauf und auf das zweite wird Saru
mit einem Rettungsteam geschickt, um zu helfen und die Ursache für
die starken Beschädigungen herauszufinden.
Nach einer dramatischen Rettungsaktion, bei der der Warpkern
repariert werden kann, stellt sich heraus, dass es sich um ein
Frachtschiff handelt. Es soll eine Gruppe von Gorlanern zu einem
sicheren Ort bringen. Der Kelpianer spürt sofort ein reges
Interesse, denn die Gorlaner leben sehr zurückgezogen und scheinen
von den Pelianern irgendwie unterdrückt zu werden. Dann werden die
Sternenflotten-Offiziere von den Gorlanern gefangengenommen und
zusammen mit der Pelianer-Besatzung erpresst, auf die Shenzhou zu
feuern, um ihre eigenen Ziele umzusetzen.
Kritik:
Der Roman widmet sich unserem Lieblings-Kelpianer Saru, einem der
ungewöhnlichen Charaktere von Discovery. In der Serie wurden
bereits unbekannte Seiten von ihm beleuchtet und sogar seine
Heimatwelt gezeigt ("Si Vis Pacem, Para Bellum", "The Brightest
Star"). In der zweiten Staffel erlebte der vorher ständig
beunruhigte Saru eine dramatische Wandlung zu einem dominanten,
konfliktfreudigen Charakter ("An Obol For Charon", "The Sounds Of
Thunder").
Wie die zwei bisher vorliegenden Romane der Reihe finden die
Ereignisse nicht auf der namensgebenden Discovery statt, sondern
spielen in der Serien-Vergangenheit auf der Shenzhou. Wir bekommen
damit interessante Einblicke in die Gedanken- und Lebenswelt eines
jüngeren, immer noch angsterfüllten und noch nicht so erfahrenen
Saru. James Swallow lotet das damit aufgemachte Spannungsfeld zu
seiner Umgebung immer wieder aus (z.B. in Form der Rivalität mit
Michael Burnham, die in "Die Furcht an sich" das impulsive,
risikoaffine Gegenteil von ihm repräsentiert), kann dem Saru
aus der TV-Serie aber keine neuen Seiten hinzufügen.
Wie im ersten Discovery-Roman "Gegen die Zeit" wird Sarus
ängstliche Seite, selbst verglichen mit der ersten Staffel der
TV-Serie, sehr betont. Beispielsweise hat er ein Trainingsprogramm
für seine Kabine geschaffen, das seinen Instinkt für Gefahren
schärfen soll. Seine ständigen abwägenden Überlegungen in
Gefahrensituationen bringen es außerdem mit sich, dass seine
Team-Kollegen ihm gegenüber aggressiv auftreten und er sich seine
zurückhaltende Vorgehensweise vorhalten lassen muss - im Gegensatz
zum Toleranzanspruch der Sternenflotte (diese unschönen Erfahrungen
teilt er mit Spock aus TOS). Genauso wird die Bedrohung der
Kelpianer durch Raubtiere auf ihrem Heimatplaneten reichlich
übertrieben, denn wir wissen inzwischen, dass die sanftmütigen
Kelpianer in ihrem alltäglichen Leben nicht direkt bedroht werden,
sondern die Bedrohung durch Verbote und Rituale (z.B. am
Lebensende) ausgeübt wird.
Was am Saru in diesem Roman sicherlich am bemerkenswertensten und
gleichzeitig unverständlichsten ist, ist seine Sympathie für die
Gorlaner, in denen er auf den ersten Blick hilfsbedürftige
Unterdrückte sieht. Sie verleitet ihn dazu, gegen jede Vernunft und
den ausdrücklichen Befehl von Georgiou und trotz all seiner Ängste
mit ihnen zusammenzuarbeiten, obwohl er sie schnell als skrupellose
Terroristen erkennt.
Als Lt. Commander Johar, Chefingenieur der Shenzhou und Chef der
Rettungsmission auf dem Frachter der Pelianer, schwer verletzt
wird, muss der Kelpianer das Kommando übernehmen. Er muss
überlegen, ob er auf der einen Seite durch Zusammenarbeit Zeit
gewinnen kann und mehr über die Ziele der undurchschaubaren
Gorlaner herausfinden kann, und auf der anderen Seite muss er das
Wohl seines Teams im Blick haben. Dass wir hier einen jungen und
naiven Saru vor uns haben, wird daran deutlich, dass er sich dafür
entscheidet, den Gorlanern sogar soweit entgegenzukommen, dass er
seine Kollegen dazu zwingt, ihnen zu helfen, die Shenzhou zu
beschädigen und übernehmen zu können. Eine denkbar schlechte Wahl -
wie Georgiou am Ende klarstellt. Insgesamt ist das der schwächste
Teil des Romans und eine fette Kröte, die man als Leser ersteinmal
schlucken muss.
Die Gorlaner üben durch ihre Beschreibung tatsächlich eine gewisse
mysteriöse Faszination aus. Sie sind klein und können sich in der
Schwerkraft nur beschwerlich bewegen und werden als nicht besonders
freundlich gezeichnet. Sie bleiben unter sich und reisen durch die
Galaxis, um Planeten zu finden, auf denen sie Kolonien gründen
können. Man traut ihnen zunächst keinerlei feindselige Handlungen
zu, so richtig vertrauenswürdig erscheinen sie nicht.
Ihre Gesellschaft ist sehr religiös - und hier rutscht der Roman
heftig ins Esoterische ab - und wird vom Knotenpunkt geführt, einer
Art Seherin mit speziellen Gedankenkräften. Offenbar besitzen die
Gorlaner ein elektromagnetisches Feld und können unbewusst Einfluss
auf den Gefühlszustand anderer Wesen nehmen. Ganz auszuschließen
ist deshalb nicht, dass Saru in diesem Roman ungewollt unter ihrem
Einfluss steht, denn er bemerkt, dass er sehr empfänglich für ihre
Felder ist.
Die Handlung hält wenig Überraschungen bereit. Für Saru geht es um
eine Standard-Story der Kategorie "Helfen trotz Oberster
Direktive". Dabei muss man als Leser aber auch schon gewillt sein,
Sarus fragwürdiges Handeln hinzunehmen.
Die Hintergrund-Geschichte ist nicht weniger problematisch, denn
sie wird nur mit Spannung gefüttert, weil die Gorlaner die Karten
erst spät auf den Tisch legen - warum auch immer. Es stellt sich
heraus, dass die Pelianer auf dem Weg waren, die Gorlaner vom
Planeten Peliar Zel - hier noch kein Föderationsmitglied wie später
in TNG "Odan, der Sonderbotschafter"
- zum sehr unwirtlichen Planeten "Zuflucht" zwangsweise
umzusiedeln. Warum sich die Pelianer diesen Aufwand machen, wird
nicht befriedigend erklärt. Warum die Gorlaner dabei mehr oder
weniger mitmachen auch nicht. Letztlich passt dieses offensichtlich
problematische Deportationsvorhaben aber immerhin gut zum
machtversessenen, kompromisslosen Auftreten der Pelianer in diesem
Roman.
James Swallow löst die Geschichte dann mit einem an Action reichen,
aber unspektakulären Ende auf: Mithilfe der wieder reparierten
Shenzhou stellt man sich den anrückenden Tholianern, was beiden
Seiten, Pelianern und Gorlanern, in bester Star Trek-Art hilft, das
Verbindende ineinander und die Stärke des jeweils anderen zu
erkennen. Damit haben dann auch die Umsiedlungen der Gorlaner ein
Ende.
Infos:
Star Trek: Discovery
Titel: Die Furcht an sich (Fear Itself)
Autor: James Swallow
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2018, USA: 2018
Deutsche Übersetzung von Helga Parmiter
Preis: 15,00 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.