Deutscher StarTrek-Index  

Der Absturz?

von Andrej Schwabe, 26.06.2020

Inhalt:
Die Enterprise setzt die Erforschung des Odysseischen Passes fort und stößt dabei auf einen seltsamen Nebel, der einen einsamen Planeten verbirgt, der nicht an einen Stern gebunden zu sein scheint. Bei der Untersuchung der Planetenoberfläche entdeckt die Crew Lebenszeichen und erhält die ausdrückliche Warnung, der Oberfläche unter allen Umständen fernzubleiben. Dennoch möchte Picard den offenbar Gestrandeten Hilfe anbieten und schickt ein Team zum Planeten. Kurz darauf verschwindet der gesamte Planet zusammen mit dem Rettungsteam in eine andere Dimension. Nun müssen sowohl die Enterprise-Besatzung als auch das gestrandete Rettungsteam an einer Lösung arbeiten, damit die verschwundenen Besatzungsmitglieder wieder in ihr Heimatuniversum zurückfinden.

Kritik:
Absturz Die Geschichte von "Absturz" ist zwar solide geschrieben aber nicht gerade originell. Es stellt sich heraus, dass die Personen auf dem Planeten Wissenschaftler sind, die mit einer neuen Art des Dimensionstransfers experimentiert haben und nun die Kontrolle über ihre Maschinen verloren haben. Ähnliche Storys mit verrückten Quantenphänomenen, aus denen Crewmitglieder gerettet werden müssen, gab es z.B. schon in TNG "Parallels" oder "Timescape" und diversen Voyager-Episoden. Neben dem Problem des unvermeidlichen (und umfangreichen) Techno-Blablas kommt auch nur leidlich Spannung auf, weil Dayton Ward keinen Zweifel daran lässt, wie die Geschichte ausgehen wird: Am Ende des Romans schießt man irgendeinen Deflektorstrahl in eine Singularität und sorgt dafür, dass alle wieder im richtigen Universum landen.

Unglücklich ist der Aufhänger der Geschichte. Picard trifft ohne Not eine sehr riskante Entscheidung, als er ein bemanntes Shuttle zum Planeten schickt. Und tatsächlich stürzt das Shuttle ab und die Shuttle-Besatzung ist auf dem mysteriösen Planeten und kurz darauf in einem anderen Universum gefangen. Hätte man nicht einfach Sonden schicken können und zunächst mehr unbemannte Erforschung des Planeten durchführen können? Immerhin wird die Crew durch den Funkspruch explizit davor gewarnt, den Planeten anzusteuern. Wir kennen Picard zwar als hilfsbereit und neugierig - aber als so risikofreudig? Aber hätte der Captain diese Entscheidung nicht getroffen, wäre ja auch die Handlung nicht in Gang gesetzt worden.

Wie immer, wenn es um Paralleluniversen geht, ist es interessant zu sehen, was sich Ward an alternativen Verläufen für unsere Charaktere vorstellen kann. Er erzählt hier von zwei alternativen Realitäten, die aus Picards Sicht beide in der Vergangenheit liegen: In einem Universum, das zur Zeit der vierten TNG-Staffel spielt, konnte Picard als Locutus nicht aus der Gefangenschaft der Borg gerettet werden und Riker muss sich als neuer Captain der Enterprise-D bewähren. In diesem Zuge bedient sich Ward ausgiebig und auch recht offensichtlich bei TNG "Parallels", kann der Situation aber einige neue Perspektiven abgewinnen. Riker wird, ohne Picard an seiner Seite, als viel unsicherer Anführer dargestellt, als wir es gewohnt sind. Und obwohl der Borgvorfall hier schon einige Monate zurückliegt, beginnt Riker nur zaghaft, die Beziehungen zu seiner Crew wiederherzustellen. Leider lässt sich Ward in diesem Zuge dazu verleiten, seitenweise verschiedenste TNG-Episoden gefühlt Wort für Wort nachzuerzählen, was eindeutig zu viel Raum einnimmt.

Das zweite Universum, das durch die Maschine der fremden Wissenschaftler mit dem bekannten Star Trek-Universum verbunden ist, liegt in der TOS-Zeit und der Handlungsort ist ein romulanischer Bird of Prey. Wir bekommen etwas mehr Einsicht in die Funktionsweise der Besatzung, aber sonst auch nicht viel mehr, so dass man sich diesen Ausflug problemlos hätte sparen können.

Einige Lichtblicke lassen sich zu Beginn des Romans ausmachen, denn die Geschichte braucht einige Zeit, bis sie so richtig startet. Ward gibt Rückblicke auf den letzten Roman "Der Pfeil des Schicksals", was dem Leser eine gute Orientierung gibt. Weiterhin widmet er sich den aktuellen Beziehungsthemen und erfüllt einige Charaktere auf der Enterprise mit weiterem Leben. Besonders sticht Erstkontaktspezialistin T'Ryssa heraus. Sie ist wegen ihrer unkonventionellen, frischen Art seit dem TNG Relaunch die originellste und spannendste Figur auf der Enterprise und bekommt hoffentlich in den nächsten Romanen mehr Aufmerksamkeit.

"Absturz" demonstriert (auch mit seinem prophetischen Titel), dass TNG seit dem Relaunch noch keine eigene Richtung jenseits von Borg gefunden hat. Die Ideen für Geschichten sind nur hin und wieder spannend und wie dieser Roman oft genug ein Abklatsch früherer Storys. Das Familiengefühl zwischen den Charakteren, das TNG geprägt hat, entsteht hier (noch) nicht, weil die Autoren zu wenig mit den neuen Figuren anzufangen wissen.


Infos:
Star Trek: The Next Generation
Band 14
Titel: Absturz (Headlong Flight)
Autor: Dayton Ward
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2019, USA: 2017
Deutsche Übersetzung von Stephanie Pannen
Preis: 15,00 €
Cross Cult Verlag

Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag

Fragen, Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie an Andrej Schwabe.

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