Sühne und Sünden
von Andrej Schwabe, 10.01.2021
Inhalt:
Admiral Janeway wird von einem Tribunal der Kinara angeklagt wegen
angeblicher Verbrechen während der ersten Reise der Voyager durch
den Delta-Quadranten. Bei der Kinara handelt es sich um eine
mächtige Allianz mächtiger Völker des Delta-Quadranten: der Devore,
der Vaadwaur, der Turei und der Voth. Es stellt sich allerdings
heraus, dass die Repräsentanten dieser Spezies von
Neyser-Bewusstseinen kontrolliert werden. Diese Wesen wurden vor
langer Zeit für Jahrtausende von ihrem eigenen Volk in speziellen
Kanistern eingesperrt, weil sie versuchten Unsterblichkeit zu
erlangen auf Kosten von anderen Personen, auf die sie ihre
Bewusstseine übertrugen. Sie wurden durch die Voyager vor einiger
Zeit unabsichtlich freigesetzt und befinden sich seitdem zusammen
mit dem geflohenen Voyager-Hologramm Meegan auf der Flucht
("Unwürdig" und
"Erbsünde"). Nun sind die
Seriareen, wie sie sich selbst nennen, wieder aufgetaucht und
suchen nach ihrem Heimatplaneten Seriar. Janeway überzeugt die
zunächst verständnislose Vorsteherin der Konföderation Cin, ihnen
bei der Suche zu helfen.
Währenddessen finden Naomi Wildman und Dr. Sharak im
Alpha-Quadranten weitere Hinweise darauf, dass die catomische
Seuche gezielt freigesetzt wurde, um medizinische Versuche an der
Bevölkerung vorzunehmen. Tom Paris und Seven finden auf der Erde
einen Weg, fast alle gefangengenommenen Borg aus den Händen des
"Commanders", der die Seuchen-Experimente steuert und durchführt,
zu befreien.
Kritik:
"Sühne" führt den großen und bisher spannenden und
abwechslungsreichen Handlungsbogen um die Konföderation zu Ende,
der in "Bewahrer" begonnen
wurde. Die Konföderation wurde bereits als totalitärer, mehr oder
weniger faschistischer Planetenbund beschrieben, zu dem Janeway
inzwischen nur noch nötigste pragmatische Kontakte pflegen möchte.
Interessanterweise scheint die Anwesenheit der Voyager einigen
Eindruck auf die herrlich fremdartig gezeichnete Vorsteherin Cin
(Tentakel!) ausgeübt zu haben, denn sie hat inzwischen eine
vertrauensvolle Beziehung zu Janeway und scheint sich trotz aller
Zweifel für das andersartige Vorgehen der Sternenflottenangehörigen
zu öffnen. In diesem Roman wird ein interessanter Einblick in die
Vorgeschichte der Konföderation gegeben und es wird aufgeklärt, auf
wessen starken Mauern man das Großreich erschaffen konnte.
Natürlich ist von Anfang klar, dass Janeway sich aus dem zunächst
aussichtslos scheinenden (und reichlich fadenscheinigen) Tribunal
irgendwie rausboxen würde. Aber dass sie so einen guten Riecher
haben sollte, um die Hintergründe hinter den Kinara aufzuklären,
erscheint schon ein wenig zu fantastisch. Jedenfalls kann sie die
von den Seriareen Übernommenen (zu denen auch Kashyk aus
"Kontrapunkt" gehört)
überzeugen, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
An dieser Stelle dreht sich plötzlich die Richtung der Handlung.
Denn obwohl die Seriareen Monate lang eine riesige Flotte
zusammengestellt haben, um der Konföderation schwere Verluste
beizubringen, gehört die Voyager zur Sternenflotte und da hilft man
natürlich gerne aus. Das Misstrauen gegenüber den telepathisch sehr
begabten Seriareen ist verständlicherweise grundlegend und groß.
Cin zögert denn auch zunächst, zumal der Planet Seriar tief im Raum
der Konföderation liegt. Tatsächlich haben die Seriareen ihre
eigenen Pläne und kapern die Voyager kurz vor Seriar, was
angesichts des standardmäßigen Aufbaus der Handlung mehr als
erwartbar war. Schließlich erreicht die Voyager unter Kontrolle der
Seriareen den durch einen riesigen Krieg verwüsteten Raum um Seriar
und findet einen Ring Obihax, nach Ansicht der Seriareen ein
lebender Gott, mithilfe dessen die Subraumkorridore angelegt
wurden. Diese "Ströme" hatten die Konföderation zu ihrer
Mächtigkeit geführt und wurden laut ihrer Geschichtsschreibung
durch den Quell angelegt. Janeway und ihre Besatzung kann die
Seriareen überwältigen und ausschalten.
So simpel, eintönig und vorhersehbar diese Story ist, so wird in
ihrem Verlauf doch der Einfluss auf Cin betont, den Janeway auf sie
hat und nach der sie immer wieder an der Überlegenheit der
Konföderation zweifeln muss und sich beginnt für die Vorschläge der
Föderationsschiffe zu öffnen. Eine Nebenstory zeigt, wie Commander
O'Donnell zusammen mit den Experten der USS Demeter das Ökosystem
des Archen-Planetens ("Bewahrer")
und anderer Planeten der Konfödertion wieder zu neuer Fruchtbarkeit
und Prosperität führt.
Der zweite Strang beendet die Handlung im Alpha-Quadranten, die
sich um die bisher erfolglose Suche nach der Ursache der
mysteriösen föderationsweiten Seuche dreht.
Die positive Seite ist zunächst, dass Seven die Borg-Kinder (aus
der Borg-Gemeinschaft aus VOY "Kooperative")
aus den Fängen des Commanders und seiner sehr schmerzhaften und
tödlichen Experimenten lösen kann. Durch einen Trick kann sie sie
in der tamarianischen Botschaft auf der Erde unterbringen, wo ihr
Schicksal wegen eines glücklichen Zufalls durch Botschafter Garak
an die Öffentlichkeit gebracht werden kann. Nicht nur Garak kann
hier glänzen, sondern auch Toms Mutter, die bisher nicht durch
Mitfühlsamkeit aufgefallen ist (z.B. im Sorgerechtsstreit um Toms
Tochter in "Erbsünde"). Für
sie hat die Autorin Kirsten Beyer nun vorgesehen, dass sie sich
einer neuen Aufgabe verschreiben kann und daher nicht mehr Tom zu
nerven braucht.
Beyer verrennt sich offenbar bei der Auflösung der Seuche. Glaubte
man schon im letzten Roman
"Erbsünde" grob zu wissen,
dass es um die heimliche Testung irgendeiner fiesen Catom-Biowaffe
gehen könnte, macht die Autorin hier immer neue Felder auf, um die
vielen Puzzleteile zusammensetzen zu können. Zwar wird immerhin
aufgedeckt, dass der Commander die Catom-Seuche aus Versehen
ausgelöst hat, dann soll er aber noch weitere verbotene eugenische
Experimente mit lange verstorben geglaubten Planarianern
durchführen. Außerdem gibt es Leute, die die Catomen-Seuche
verstärken und damit die Opferzahlen hochtreiben, um das zu
vertuschen. Aber die Lage bleibt undurchsichtig. Tom kann auch
nicht alle notwendigen Beweise auftreiben, so dass die
Handlungsmöglichkeiten begrenzt sind, um dem Commander das Handwerk
zu legen. Zumal die üblichen Badmirals die Schmierenkomödie
mitspielen, ohne dass wir ihre Motive erzählt bekommen.
Schöne Details in diesem eher konfusen Teil des Buches: Die Sorge
des Holodocs um Seven, die ihn in eine tiefe Sinnkrise mit ganz
physischen Auswirkungen führt. Die Beziehung zwischen Seven und
Axum (aus VOY "Unimatrix Zero"),
der als Flüchtling vor den Borg monatelang in einer Rettungskapsel
überlebte, um nun seine Liebste wiederzutreffen. Herzzerreißend ist
es schon, wenn beide am Ende getrennte Wege gehen. Wie in der
Picard-Episode "Stardust City Rag" sind die Implantate der Borg
eine heißbegehrte Ware.
"Sühne" ist ein Buchziegel - dick genug, um die Handlungsfäden der
letzten Romane einzusammeln und zu einem halbwegs gelungenen
Abschluss zu führen. In dieser Hinsicht hapert es bei Beyer leider.
Und so bietet der Roman leider nur Dutzendware und wirkt
stellenweise auch konfus. Sie versucht die schwache Handlung durch
Action auszugleichen, was nur hin und wieder gelingt.
Infos:
Star Trek: Voyager
Band 11
Titel: Sühne (Atonement)
Autor: Kirsten Beyer
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2018, USA: 2016
Deutsche Übersetzung von René Ulmer
Preis: 16,00 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.