Deutscher StarTrek-Index  

Andor und seine ungewissene Zukunft

von Andrej Schwabe, 24.03.2016

Inhalt:
Die Andorianer sehen sich großen Herausforderungen gegenüber. Auf der einen Seite sind sie wie viele andere Völker Opfer der Borg geworden, die auf ihrem Vernichtungsfeldzug durch die Föderation unbeschreibliche Verluste hinterlassen haben ("Destiny"). Auf der anderen Seite kämpfen die blauhäutigen Aliens mit den immer deutlicheren Auswirkungen einer Reproduktionskrise, die zu einem großen Rückgang der Bevölkerung führt und damit einhergend zu großer Verunsicherung ("Die Welten von Deep Space Nine: Andor - Paradigma"). Die Enterprise wird zur andorianischen Heimatwelt beordert, um dort eine Konferenz zu medizinischen Lösungen der Krise abzuhalten. Natürlich läuft diese nicht so ab wie geplant, und im Hintergrund braut sich ein viel größeres Problem zusammen.

Kritik:
Zwietracht Nicht nur dass sich die jüngste Star Trek TV-Serie "Enterprise" den blauhäutigen Aliens zugewandt hatte, auch der Buch-Relaunch von Deep Space Nine widmete sich ihnen mit großer Tiefe. DS9 fügte ihnen die Reproduktionskrise hinzu, die im 24. Jahrhundert dafür sorgt, dass immer weniger gesunde und lebensfähige Andorianer geboren werden, obwohl inzwischen sogar Bündnisse aus vier Andorianern zur Absicherung der genetischen Stabilität eines Babys üblich sind.
Eine zentrale Figur war Shar, ein junger Andorianer, an dem die sich daraus ergebenden sozialen Probleme exemplarisch durchgespielt wurden. Während seiner Zeit auf DS9 widersetzte er sich dem massiven Druck seiner Mutter (einer einflussreichen Politikerin), ein Viererbündnis zu gründen, weil er sich in eine seiner Partner verliebt hat und nur mit ihr zusammen leben wollte ("Mission Gamma I - Zwielicht"). Die anschließende Mission der Defiant im Gamma-Quadranten stellte den Kontakt zu einer Zivilisation her, die scheinbar über eine Lösung für die genetischen Probleme der Andorianer verfügte ("Mission Gamma II - Dieser graue Geist"). Shar entschloss sich gegen Ende der "achten Staffel", die Raumstation zu verlassen, um mit diesen Kenntnissen und den Mitteln der Wissenschaft auf Andor zu helfen.
"Zwietracht" nimmt diese Handlungsstränge gekonnt auf und wir erfahren, wie es dem Wissenschaftsoffizier seitdem ergangen ist: Er ist ein neues Bündnis eingegangen, dessen Mitglieder (so wie viele Andorianer auch) bei Borgangriffen tragischerweise ums Leben kamen. Und die neuen medizinischen Verfahren, die in der Zwischenzeit entwickelt wurden, zeigten bisher nur verhaltene Erfolge und sind wegen der Verwendung fremder Gene nicht sonderlich beliebt. Dass Shar immer seltener auftaucht, je weiter die Handlung voranschreitet, ist etwas enttäuschend, besonders weil sein Charakter bereits so gut ausgearbeitet ist.
Dayton Ward nimmt sich viel Zeit, die Situation auf Andor und die oft gegensätzlichen Positionen seiner Bewohner darzustellen, die vor allem um die Reproduktionskrise kreisen. Es werden aber auch die herben Verluste nach den Borgangriffen und die unzähligen Flüchtlinge angesprochen, die Föderationswelten inzwischen beherbergen ("Den Frieden verlieren"). All dies ergibt ein stimmiges Bild der andorianischen Verzweiflung mitsamt den vielschichtigen sozialen Spannungen.

Schließlich kommt es, wie es kommen muss, die Föderation wird an den Pranger gestellt und aufgrund ihrer vermeintlichen Untätigkeit als Verantwortliche für die Probleme dargestellt. Die Aussicht auf das nahende Aussterben der eigenen Art wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger, der trotz der langen Tradition der Andorianer in der Föderation einen beunruhigenden Fanatismus hervorbringt, der von einem Großteil der Bevölkerung noch bereitwillig geteilt wird. Auf dem Nährboden der Unzufriedenheit bilden sich extremistische Gruppen, die nicht vor Gewalt zurückschrecken, um ihre Sicht der Dinge durchzusetzen.
Mögen die Hintergründe auch unterschiedlich sein, viele Parallelen lassen sich ziehen zu der erschreckenden, unverhohlenen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit in Europa.

Die Zeichen für die Konferenz um medizinische Lösungen der Krise, die für Entspannung sorgen soll und auf Andor unter dem Schutz der Enterprise stattfindet, stehen also eher schlecht. Dennoch startet sie hoffnungsvoll: Wir verfolgen Shar und seine wissenschaftlichen Mitstreiter bei ihren Versuchen, die positiven Beiträge der Föderation hervorzuheben und für Kooperation und Geduld zu werben.
Dass das Vorhaben trotzdem scheitert, ist einer erstarkenden Radikalengruppe zu verdanken, die das Konferenzgebäude stürmt. Dabei gewinnt der Roman merklich an Geschwindigkeit und Spannnung, weil sich schnell Misstrauen breitmacht zwischen Andorianern und Nicht-Andorianern.
Alles läuft jedoch langsam und unausweichlich auf einen weit dramatischeren Höhepunkt zu. Während die Föderationspräsidentin Bacco und Admiral Akaar sich zeitgleich (erfolglos) bemühen, das Blatt auf politischer Ebene doch noch zu wenden, tauchen schließlich die Tholianer auf und erinnern an verschollenes und möglicherweise hilfreiches Genetik-Wissen in den Föderationsdatenbanken ("Vanguard"). Ihr geschicktes Spiel mit der aufgedeckten Geheimhaltung dieser wertvollen Daten scheint die Verschwörungstheorien der Andorianer geradezu zu bestätigen und kulminiert im größten Paukenschlag, den die Innenpolitik der Föderation in letzter Zeit erlebt haben dürfte.

Ein Nebenschauplatz besteht aus Beverlys und Jean-Lucs Elternrealität, die zwar interessant aber auch ziemlich nüchtern geschildert wird. Der Kontrast zu Picards früherem distanziertem Auftreten gegenüber Kindern ist unverkennbar. Außerdem entspinnt sich daraus ein unerwarteter Handlungsstrang für folgende Romane, denn inzwischen ist er bereit, einen Job als Diplomat oder Admiral anzunehmen, um seinen beiden Liebsten ein sicheres Leben zu bieten.

In "Zwietracht" kondensiert sehr gelungen die Verzweiflung der Post-Borg-Atmosphäre zu einem inneren Konflikt der Föderation, der am Ende ihr mutiges Selbstverständnis in Frage stellt und ihr weiteres Schicksal prägen wird.


Infos:
Star Trek: Typhon Pact
Band 4
Titel: Zwietracht (Paths of Disharmony)
Autor: Dayton Ward
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2013, USA: 2011
Deutsche Übersetzung von Bernd Perplies
Preis: 14,80 €
Cross Cult Verlag

Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag

Fragen, Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie an Andrej Schwabe.

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