DSi

TNG 3.22 Der Sammler


The Most Toys

von Yann-Patrick Schlame

Episodenbeschreibung

Sternzeit: 43872,2
In der Föderationskolonie auf Beta Agni II gibt es eine Tricyanat-Verseuchung, die nur mit Hytritium bekämpft werden kann, einem seltenen Stoff, den die Enterprise von einem Händler namens Kivas Fajo bezieht. Da Hytritium instabil ist und nicht gebeamt werden kann, transportiert Data die Behälter mit einem Shuttle auf die Enterprise. Doch beim dritten und letzten Flug explodiert das Shuttle. Die Enterprise kann zwar keine Ursache dafür finden, aber Data scheint tot zu sein, also macht man sich auf den Weg ins Beta Agni System.
Aber Data ist nicht tot: Er wurde vor dem Abflug des Shuttles von Fajo betäubt und wird jetzt von ihm gefangen gehalten. Fajo erklärt, dass er ein Sammler seltener Gegenstände ist, z.B. hat er da Vincis berühmte Mona Lisa. Auch Data ist einzigartig, deshalb hat er ihn gekidnappt. Data versucht, zu fliehen, hat aber keinen Erfog; offensichtlich hat Fajo gut vorgesorgt.

Währenddessen bemüht sich Geordi herauszufinden, wieso das Shuttle explodiert ist. Er findet keine plausible Erklärung und sucht mit Wesley zusammen weiter.

Fajo verlangt von Data, andere Kleidung anzuziehen und sich auf einen langen Aufenthalt einzustellen. Außerdem möchte er, dass Data sich auf einen Stuhl setzt. Dieser Aufforderung kommt Data erst nach, als Fajo droht, seine Gefährtin Varria zu erschießen.

Die Enterprise ist mittlerweile am Ziel und kann die Kontamination stoppen. Riker findet mit einem Außenteam heraus, dass die Verseuchung künstlich herbeigeführt wurde. Da Geordi inzwischen einige Ungereimtheiten gefunden hat, kombiniert die Crew, dass Fajo die Verseuchung inszeniert hat, um bei der Übergabe des Hytritiums, das er als einziger schnell genug bereitstellen konnte, Data zu kidnappen, denn Fajo ist als Kunstsammler bekannt. Die Enterprise macht sich auf die Suche nach Fajos Schiff, der Jovis.

Data erhält inzwischen Unterstützung: Fajos Gefährtin will mit Data fliehen, da sie an Fajos Seite nicht mehr glücklich ist und ihn fürchtet.
Bei dem Versuch, mit einer Rettungskapsel zu entkommen, werden die beiden von Fajo gestellt. Fajo erschießt Varria kaltblütig, lässt dann aber seine Waffe fallen. Data nimmt den Disruptor an sich und bedroht nun Fajo. Dieser stellt fest, dass Data ihn gar nicht erschießen kann, da ein fundamentaler Respekt vor allem Leben Bestandteil von Datas Programmierung ist. Also könnte Data gar nicht entkommen, denn Fajo hat auf dem Schiff alle Fäden in der Hand. Aber Data scheint entschlossen zu schießen, als er an Bord der Enterprise gebeamt wird. O'Brien merkt, dass Data eine Waffe in der Hand hält, die im Moment des Transports abgefeuert wurde. Er deaktiviert die Waffe. Als Data materialisiert ist, fragt ihn Riker nach der Waffe. Data sagt, dass sie möglicherweise durch den Transporter ausgelöst wurde.
Fajo wird verhaftet und seine Sammlung konfisziert.




Bewertung

Nach "Die Macht der Paragraphen" und "Datas Nachkomme" ist "Der Sammler" die dritte Data-zentrierte Episode in der dritten Staffel.

Zu Beginn geht es erfreulich schnell zur Sache. So weiß man als Zuschauer, dass Data den "Unfall" überlebt hat und nun Gefangener des Sammlers Kivas Fajo ist. Datas erste Fluchtversuche sind schlüssig dargestellt, ebenso seine Weigerung, mit Fajo in irgendeiner Art und Weise zu kooperieren. In Bezug auf die Episode stimmt die Chemie zwischen diesen beiden Widersachern ab dem ersten Moment.

So bleibt Data die ganze Zeit über höflich, zeigt keine Spur von Verärgerung - eine Emotion, die ihm natürlich sowieso fremd ist - und sagt Fajo ins Gesicht, dass er nun versuchen wird, seiner Gefangenschaft zu entkommen. Und auch Fajo wirkt nicht gerade wie ein Barbar, im Gegenteil freut er sich zunächst wie ein kleines Kind zu Weihnachten über seine neueste Errungenschaft. Und doch steuert die Episode kontinuierlich auf die Konfrontation der beiden Charaktere zu.

So eskaliert die Lage Stück für Stück, indem Data sich jeder Anweisung Fajos widersetzt und indem Fajo zunehmend rabiate Mittel einsetzt, um Data doch seinem Willen zu unterwerfen. Das Zersetzen der Uniform mittels Säure ist da noch vergleichsweise harmlos, aber die Drohung, seine Gefährtin Varria kaltblütig zu ermorden, offenbart schließlich, dass Fajo eben kein charmantes Schlitzohr ist, sondern ein gemeingefährlicher Verbrecher.

Fajos Drohung und Datas Versuch, Varria auf seine Seite zu ziehen, zahlen sich schließlich aus, als sie ihm zur Flucht verhilft. Die Herleitung des Kampfes im Frachtraum der Jovis wirkt vielleicht etwas gekünstelt, aber dass Fajo Varria erschießt, kommt dann doch etwas überraschend. Und noch überraschender ist es natürlich, dass Data im Anschluss Fajo erschießen will - zu dem Zeitpunkt unbewaffnet und keine direkte Bedrohung. Data begründet sein Vorgehen damit, dass er Fajo nicht erlauben könne, so weiterzumachen.

Das wirft natürlich Fragen auf. Unter "normalen" Gesichtspunkten würde man Datas Vorgehen als emotionale Reaktion auf die Ermordung Varrias betrachten. Aber zu diesem Zeitpunkt verfügt Data noch nicht über den Emotionschip seines Bruders Lore. Also muss sein Entschluss, Fajo zu erschießen, komplett rational begründet werden: Sollte Data in Gefangenschaft bleiben, dann würde Fajo in der Zukunft immer wieder damit drohen, Unbeteiligte zu ermorden, um Data zu unterwerfen. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt, dass das keine leere Drohung ist.

Hat Data also rational entschieden, dass er Morde in der Zukunft verhindern wird, wenn er Fajo nun erschießt (ermordet)? Konnte er sicher sein, dass es keine Alternativen geben wird?

Und wie wäre diese Entscheidung formaljuristisch zu bewerten? Ein "Normalsterblicher" würde sich diese Frage in dieser Situation vermutlich nicht stellen. Aber Data handelt nicht impulsiv. Hat er also entschieden, das Recht zu brechen, dem er als Offizier der Sternenflotte untersteht? Oder hat er sich eine Notwehrsituation herbeirationalisiert, wie es ein Mensch vielleicht getan hätte? Oder wollte Data Fajo nur einen gehörigen Schrecken einjagen, und wurde der Disruptor wirklich durch den Transporter ausgelöst?

Daran schließt sich natürlich gleich die nächste Frage an. Im Transporterraum gegenüber Riker und O'Brien gibt Data eine ausweichende Antwort. Am Ende bleibt es also offen, ob er tatsächlich drauf und dran war, Fajo zu erschießen.

Es wird auch in der Zukunft nicht geklärt, was nun genau vorgefallen ist. Das ist einerseits schade, denn natürlich will man als Zuschauer Antworten haben. Andererseits muss nun jeder für sich selbst entscheiden, wie die Situation bewertet wird. Am Ende einer recht vergnüglichen Episode steht damit eine im wahrsten Sinne des Wortes denkwürdige Szene.
Indirekt wird diese Thematik in der Doppelfolge "Angriff der Borg" am Ende der sechsten/Anfang der siebten Staffel wieder aufgegriffen. Der bereits angesprochene Emotionschip wird bereits in "Die ungleichen Brüder" in der vierten Staffel präsentiert.

Die Handlung auf der Enterprise wirkt zunächst wie eine (recht belanglose) Nebengeschichte, wird aber geschickt mit Datas Entführung verwoben, als die Ursache der Grundwasser-Verseuchung auf Beta Agni II erkannt wird. Offenbar muss sich Fajo in ziemliche Unkosten gestürzt haben, um das Tricyanat zu besorgen. Da er mit dem Verkauf des seltenen und gefährlichen Hytritium den Verlust nicht ausgleichen kann, zieht die Crew die richtigen Schlüsse.

Hier stellen sich ein paar Fragen. Direkt nach der Explosion des Shuttles wirkt Riker ausgesprochen skeptisch, aber im weiteren Verlauf der Episode akzeptiert er, dass Data verschwunden ist. Und was ist mit Troi? Wäre sie auf der Brücke gewesen, hätte sie Fajos Täuschung sofort durchschaut. Fajo hat sich offenbar sehr gut auf den "Raub" vorbereitet. Hatte er einen Plan, wie er Troi täuscht, oder war es purer Zufall, dass sie gerade nicht auf der Brücke war?

Und gleich am Anfang stellt sich die Frage, wie genau die Scanner der Enterprise eigentlich arbeiten. Als Folge der Explosion fliegen ein paar Trümmerteile des Shuttles durch die Gegend. Wenn man nun die Reste der Explosion scannt, genügt es dann, dass hinreichende Mengen von Datas "Baumaterial" zu finden sind? Oder müsste nicht eigentlich irgendwo noch ein Fuß oder ein Finger zu finden sein? Es ist ausgesprochen erstaunlich, was schon die Forensik des 20. Jahrhunderts zu leisten vermag. Dass Fajos Täuschung gelingt, scheint deshalb etwas unglaubwürdig.

Sehr glaubwürdig ist im Gegenzug der Umgang der Enterprise-Crew mit Datas plötzlichem Tod dargestellt. Die Reaktion auf die unerwartete Explosion des Shuttles ist pures Entsetzen.
Auch die Szene, in der Geordi und Wesley Datas persönliche Sachen zusammentragen, ist sehr gut umgesetzt. Man sieht Datas Geige, sein Bild, an dem er bereits seit einigen Episoden gemalt hat, und in seinem Schreibtisch finden sich...

  • Shakespeares gesammelte Werke, ein Geschenk von Captain Picard
  • Ein Stapel Pokerchips und -karten
  • Ein Haufen Medaillen und Auszeichnungen der Sternenflotte
  • Tashas Hologramm, das aus "Die schwarze Seele" stammt, bereits in "Wem gehört Data" von Bedeutung war und auf eine Liebesnacht in "Gedankengift" zurückgeht

Worfs Beförderung auf Datas Posten scheint nicht ganz einleuchtend. Als Nachfolger von Tasha Yar ist Worf die Idealbesetzung für den Posten des Sicherheitsoffiziers. Der Charakter hat davon praktisch sofort massiv profitiert. Aber warum sollte Worf Datas Station übernehmen?
Sehr schön ist hingegen ein (recht einseitiges) Gespräch zwischen Deanna und Worf. Sie ist besorgt, weil er nun schon zum zweiten Mal den Posten eines verstorbenen Crewmitglieds übernimmt. Worf hingegen scheint damit kein besonderes Problem zu haben - zumal, wie er erwähnt, diese Art der Beförderung auf einem klingonischen Schiff ohnehin recht normal wäre.

Geordi sammelt sicherlich am meisten Pluspunkte, denn neben der Vorbereitung auf die Entseuchungsmission lässt er einfach nicht locker und will fast als Einziger ergründen, warum das Shuttle explodiert ist. Es klingt auch logisch, dass Geordi und Wesley sich am meisten dafür einsetzen. Aber vielleicht hätte man von den anderen Charakteren etwas mehr Enthusiasmus bei der Ursachenfindung erwarten können.

Seitens der Schauspieler ist "Der Sammler" eine erstklassige Episode. Die Darsteller der Enterprise-Besatzung leisten gewohnt gute Arbeit. Die Darstellung des Verlustes ist sicherlich die beste seit Tashas unerwartetem Tod in "Die schwarze Seele". Anders als in manch anderer Episode wirkt der Schock über Datas Tod hier sehr real.

Man kann Saul Rubinek möglicherweise vorwerfen, dass er Fajo etwas übertrieben, etwas zu exzentrisch darstellt. Das ist wohl Ansichtssache. Persönlich bin ich mit dieser Episode zu einem großen Fan vom ihm geworden.
Seit 2009 ist Rubinek in der irgendwo zwischen Fantasy, Mystery und Science Fiction angesiedelten Serie "Warehouse 13" zu sehen, die jedem Leser aufs Wärmste empfohlen sei! Neben Darstellern etwa aus Firefly und Eureka geben sich dort auch Star Trek-Darsteller die Klinke in die Hand.

In den Extras der Blu-ray-Veröffentlichung findet sich ein Feature "In Memoriam David Rappaport (1951-1990)". Der britische Schauspieler David Rappaport war ursprünglich für die Rolle des Kivas Fajo gecastet worden, einige Szenen waren auch bereits gedreht. Bevor die Episode fertig gedreht war, beging er zunächst einen Selbstmordversuch, wenige Wochen später nahm er sich das Leben.
Laut Memory Alpha konnte Regisseur Timothy Bond seinen Schulfreund Saul Rubinek, der sich zufällig in Los Angeles aufhielt, überreden, die Rolle zu übernehmen.

Bleiben noch einige allgemeine Beobachtungen.

  • Das Shuttle, das zerstört wird, trägt den Namen "Pike". Christopher Pike war der Captain der Enterprise im 1965 gedrehten Pilotfilm "Der Käfig". Im sog. "Reboot" von "Star Trek" spielt Captain Pike ebenfalls eine Rolle.
  • Der Name "Kivas Fajo" ist nach eigenem Bekunden eine Hommage an die Skript-Koordinatorin Lolita Fatjo. Das Dabo-Mädchen "Leeta" bei DS9 ist ebenfalls nach ihr benannt.
  • Fajo musste befürchten, dass Data nicht mit ihm kooperieren würde. Warum, um alles in der Welt, sperrt er Data dann in einen Raum mit einigen der wertvollsten Gegenstände der Galaxis? Und warum droht Data nicht damit, einige der Gegenstände zu zerstören? Für Fajo müssen sie ja schließlich ungleich wertvoller sein als für Data.
  • Bevor Geordi den Geistesblitz hat, der ihn auf die richtige Spur führt, schläft er - in Uniform. Bisher hatte man den Eindruck, dass die Besatzung durchaus Schlafgewänder hat (auch wenn Bettdecken im 24. Jahrhundert eine Rarität zu sein scheinen (warum hatte Fajo eigentlich keine in seiner Sammlung?)).
  • Fajos Sammlung umfasst u.a. die Mona Lisa, ein Gemälde von Salvador Dali, eine nach Kaugummi riechende Roger Maris Baseball-Karte, diverse Vasen und ein Lapling. Mehr Infos zu diesen Gegenständen listet Memory Alpha auf.
  • Zu Fajos Kunden zählen offenbar ein paar Andorianer. Zu schade, dass man sie nicht zu sehen bekommt.
  • Fajos Lieblingswaffe ist ein Varon-T Disruptor, der sehr schmerzhaft tötet. Laut Data ist diese Waffe in der Föderation verboten. Es gab nur fünf Prototypen, von denen Fajo vier Stück besitzt. Einen davon bewahrt er unter seinem Kopfkissen auf.
  • Man hat den Eindruck, die Enterprise hätte es ziemlich eilig, die Krise auf Beta Agni II zu beenden. Nachdem das Hytritium geladen ist, reist man mit Warp 6. Als man Fajos List durchschaut hat und nach seinem Schiff sucht, fliegt man Warp 8. Hätte irgend etwas dagegen gesprochen, beide Reisen mit Warp 9 zu unternehmen und damit in einem Bruchteil der Zeit zu bewältigen? Oder war es mit dem verseuchten Grundwasser doch nicht so eilig?

Ein großes Lob verdient abschließend die hervorragende Musik von Dennis McCarthy.

Neben einem machtlosen Q, dem Wiedersehen mit Tasha, großen Geschichten um Klingonen und dem Staffelfinale mit den Borg ist "Der Sammler" keine Episode, die das Star Trek Universum nachhaltig beeinflussen würde. Und doch bleibt sie in sehr guter Erinnerung. Sicherlich ein weiteres, kleines Highlight in der dritten Staffel

Spannung: 4 SFX: 3 Handlung: 5 Gesamt: 5
Zusammenhänge

keine

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Ausdruck vom: 28. 03. 2024
Stand des Reviews: 26. 11. 2020
URL: http://www.startrek-index.de/tv/tng3_22.htm